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Mitteleuropa – das Flaggschiff von Freiheit und Demokratie?

29. Jan. 2018

Zwei konservative Historiker beschäftigen sich mit dem Schicksal West- und Mitteleuropas. Dabei sind sich beide uneins in der Frage, ob Mitteleuropa den Westen überholen und sich zum Leuchtturm der Freiheit und des Fortschritts entwickeln könne.

In einem gemeinsamen Interview mit der Wochenzeitschrift Heti Válasz debattieren die Historiker Stafano Bottoni und Márton Békés über die Zukunft Europas. Dabei sollte man nach Ansicht von Békés Mitteleuropa nicht mehr länger für weniger fortschrittlich als Westeuropa halten. Der konservative Geschichtswissenschaftler argumentiert, dass Westeuropa bei der Bewältigung der von der Wirtschafts- und Migrationskrise verursachten Herausforderungen weitaus weniger erfolgreich agiert habe als Mitteleuropa. Der Hauptgrund dafür liegt nach Ansicht des Historikers in dem Umstand, dass der Westen seine zivilisatorischen Grundwerte aufgegeben habe. Als Beispiele für die Überlegenheit Mitteleuropas verweist Békés auf den von Ungarn errichteten und illegale Migranten fernhaltenden Zaun sowie die ungarische Presse, die „Freiraum für freie öffentliche Debatten bietet“ – im Gegensatz zur unfreien westlichen Medienlandschaft, die von Tabus und politisch korrekten Sprachanforderungen geprägt sei. Békés vermutet, dass Westeuropa bald Richtung Mitteleuropa schauen könnte, um sich zur Bewältigung der aktuellen wirtschaftlichen und migrationsbedingten Herausforderungen inspirieren zu lassen.
Bottoni hingegen hält Befürchtungen über einen Niedergang des Westens für übertrieben und Behauptungen, Ungarn sei eine Insel des Friedens und des Wachstums, für nicht stichhaltig. Bottoni erinnert daran, dass junge Mitteleuropäer nach wie vor in der Hoffnung auf ein besseres Leben gen Westen abwandern würden. Und was die zivilisatorischen Werte anbelangt, so konstatiert Bottoni, dass religiöse, familiäre und zivilgesellschaftliche Tugenden in Mitteleuropa nicht stärker ausgeprägt seien als im Westen. Was Freiheit und Demokratie betrifft, so kontert Bottoni Békés mit dem an die ungarische Regierung adressierten Vorwurf, sie zerstöre die institutionelle Kultur samt Vertrauen und unternehme zudem den Versuch, die Herrschaft des Fidesz zu zementieren – und zwar für immer.

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