Entries RSS Feed Share Send to Facebook Tweet This Accessible version

Oppositionskandidat wird Bürgermeister von Hódmezővásárhely

27. Feb. 2018

Regierungskritische Stimmen begrüßen den Sieg eines unabhängigen Bewerbers über den amtierenden Fidesz-Bürgermeister der südostungarischen Kleinstadt Hódmezővásárhely als Zeichen dafür, dass die Regierenden in Budapest bei der Parlamentswahl am 8. April geschlagen werden könnten. Der Regierung nahestehende Publizisten werten die überraschende Niederlage ihres Vertreters vom Sonntag als einen ernsthaften Warnschuss.

Auf Mandiner interpretiert Milán Constantinovits das Wahlergebnis aus Hódmezővásárhely als Beleg für die Haltlosigkeit des häufig geäußerten Vorwurfs, in Ungarn sei eine Diktatur errichtet worden. Andererseits erinnert der Autor die Regierungspartei an ihr vor 16 Jahren gezeigtes übertriebenes Selbstvertrauen, als sie aufgrund eines überraschenden Wahlausgangs abgewählt worden sei.

„Die Leiche hat sich plötzlich wieder aufgerichtet“, schreibt Zsolt Bayer in Magyar Idők. Als alle dachten, die fragmentierte Opposition besitze absolut keine Chance, sich als eine echte Konkurrentin zu erweisen, habe sie plötzlich die Wahl in einer Fidesz-Hochburg gewonnen. Dies sei zum schlimmsten Zeitpunkt passiert, nur wenige Wochen vor den Parlamentswahlen. Doch sei die Warnung auch zum besten Zeitpunkt ergangen und der Fidesz könne nunmehr einsehen, dass in Hódmezővásárhely etwas falsch gemacht worden sei.

In Magyar Nemzet verweist Szabolcs Szerető zum Vergleich auf den Sieg des Fidesz-Bürgermeisterkandidaten in Pécs im Jahre 2009. Er habe als der Vorbote des landesweiten erdrutschartigen Fidesz-Wahlsieges im Jahr darauf gegolten. Das schockierende Wahlresultat werde angesichts der im April anstehenden Wahlen sicherlich beide Seiten mobilisieren, vermutet Szerető. Die wichtigste aus der Bürgermeisterwahl von Hódmezővásárhely zu ziehende Lehre bestehe darin, dass der Mythos der Unbesiegbarkeit des Fidesz erschüttert worden sei.

„Die Wähler haben uns eine starke Botschaft übermittelt“, konstatiert auf Pesti Srácok ein Kolumnist, der unter dem Pseudonym Paranoid Android schreibt. Die Wähler und wir würden in zwei parallelen Realitäten leben, fährt er fort und warnt die Regierenden, dass sie es seien, die sich ändern müssten, „weil die Wähler es nicht tun werden“. „Ich habe ernsthaft Angst!“, ruft Paranoid Android aus. Die rechtsorientierte Gemeinschaft müsse ihren Dialog mit den Wählern neu gestalten, „um die Herzen der Mehrheit der Ungarn zu gewinnen“.

Auf seiner Facebook-Seite sagt Ágoston Sámuel Mráz voraus, dass die Oppositionsführer nach den ersten Tagen des Triumphs anfangen würden, sich über die Schlussfolgerungen des Ergebnisses aus Hódmezővásárhely zu streiten. Die logische Lösung wäre, dass sich alle Oppositionskandidaten zurückzögen und für alle 106 Wahlkreise attraktive unabhängige Kandidaten gefunden werden müssten. Dazu blieben ihnen jedoch nur noch wenige Tage Zeit, erinnert der führende regierungsfreundliche Analyst.

Nachdem Gábor Török seinen Blog jahrelang vernachlässigt hatte, stellt der Politologe angesichts des überraschenden Ergebnisses aus der Provinz fest, dass die Wahl von Hódmezővásárhely das psychologische Klima für die Opposition verändert habe. Sie könnte jetzt glauben, auf einem neuen Spielfeld zu spielen, wo ein neues Spiel beginne und wo ihre Lage nicht mehr hoffnungslos erscheine – vorausgesetzt, sie laufe mit einer intelligenten Taktik im Kopf auf den Platz.

Auf 444 zieht Péter Magyari aus dem Wahlgeschehen vom Sonntag die Lehre, dass ein geschlossener Auftritt der Opposition funktioniere. Demzufolge sollten sich die Oppositionsparteien darauf verständigen, in den einzelnen Wahlkreisen nur jeweils einen einzigen Kandidaten gegen die Bewerber der Regierung zu unterstützen. Das sei nicht komplett umsetzbar, weil sie auch mit Hilfe ihrer landesweiten Parteilisten Stimmen sammeln müssten. Um aber als Partei kandidieren zu können, müssten sie ungarnweit über wenigstens 27 Einzelbewerber in mindestens neun Bezirken verfügen. Allerdings könnten vier von ihnen vernünftigerweise hoffen, die für den Einzug ins Parlament notwendige Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. Dazu wären insgesamt mindestens 108 Oppositionskandidaten erforderlich, während aber nur 106 Wahlkreise existieren würden, erläutert Magyari.

Tags: ,