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Milo in Budapest

28. May. 2018

Kritiker der Regierung bewegt die Frage, ob die Einladung einer öffentlichen Stiftung an die Adresse zweier umstrittener Persönlichkeiten wohl eine politische Botschaft beinhalte. Steve Bannon und Milo Yiannopoulos hatten sich vergangene Woche in Budapest an ein jeweils mehrere hundert Personen starkes Publikum gewandt.

In der Tageszeitung Népszava beschreibt Gábor Horváth die Anwesenheit des ehemaligen Wahlkampfstrategen von Präsident Donald Trump sowie des Mannes, den sogar Bannon wegen provozierender Äußerungen über gleichgeschlechtlichen Sex zwischen Erwachsenen und Minderjährigen bei Breitbart hatte entlassen müssen, als eine bewusste Provokation. Die Regierungsseite genieße offenbar den Anblick von nach Luft schnappenden Liberalen und verfolge eine Strategie ständig aufeinanderfolgender Konflikte. Und in dem Zusammenhang erscheint Horváth das demnächst dem Parlament vorzulegende und von den Gegnern der Regierung im In- und Ausland absehbar auf massive Kritik stoßende „Stop-Soros-Gesetz“ recht plausibel. Der Regierung sei all das schnuppe, so der Népszava-Chefredakteur weiter. Sie provoziere absichtlich Auseinandersetzungen, um Reaktionen auszulösen, die dann als Bedrohung für Ungarn zu deuten seien, gegen die ausschließlich die Regierung die Nation verteidigen könne.

Auf hvg.hu charakterisiert Gáspár Miklós Tamás das Geschehen als „abscheuliche und ekelhafte Aktion“, die dann einen Sinn ergebe, wenn man sie als „reverse Werbung“ betrachte. Er sieht sowohl in Yiannopoulos als auch in Bannon Vertreter eines Trends unter den Alt-Rechten, wobei diese sich als Rebellen gegen die herrschenden Mächte ausgeben würden. Sie hätten mit ihrem gemeinsamen und beispiellosen Vorhaben Erfolg gehabt, nämlich einen – so der Autor – „Halbidioten“ zum Präsidenten der Vereinigten Staaten wählen zu lassen. Der marxistische Philosoph geht davon aus, dass die Einladung an die beiden umstrittenen Gastredner zu einer ähnlichen Strategie der ungarischen Regierung passe. Diese Regierung repräsentiere das Establishment gar nicht – aber nur, weil ein Establishment überhaupt nicht mehr existiere. Ein Establishment müsse über eine Autorität in der breiten Bevölkerung verfügen. Das letzte echte Establishment sei dasjenige des Kádár-Regimes gewesen, meint Tamás.

Yiannopoulus sei zu einem Vortrag nach Budapest einfach deswegen eingeladen worden, weil die Organisatoren gewusst hätten, dass er Ministerpräsident Viror Orbán loben würde, schreibt András Stumpf auf Válasz. (In einem Interview mit Mandiner hatte Milo Yiannopoulos geäußert, der ungarische Regierungschef sei Trump sehr ähnlich. Zugleich schrieb er Ungarns Ablehnung der illegalen Masseneinwanderung dem zu, was er „den ungarischen Nationalcharakter“ nannte – Anm. d. Red.)
Die Regierenden mögen hoffen, dass dieser internationale Star dazu beitrage, „Ungarn auf die Weltkarte zu setzen“. Stumpf bemerkt jedoch bitter: Milo gehe nicht einmal davon aus, dass „sein Reich“ in Ungarn bereits angebrochen sei. Was er meine, sei ein Reich der Heuchler, denn Yiannopoulos sei ein glühender Katholik, widerspreche jedoch mittlerweile mit seinem Lebensstil und seinen Ansichten mehreren Kernlehren der katholischen Kirche. In Ungarn, so der unabhängige konservative Kommentator weiter, wimmele es nur so von solchen Experten.
Árpád W. Tóta von HVG schreibt in einem wütenden Kommentar, dass es sinnlos sei, in Ungarn Kinder zu gebären. Er kritisiert die Kampagne der Regierung gegen den Bevölkerungsrückgang, während er selbst Vater sei.
Demgegenüber fragt ein Autor von Pesti Srácok unter dem Pseudonym Paranoid Android, ob Tóta ein Mensch sei. Er beantwortet seine Frage gleich selbst, und zwar mit nein. (Indes gehört Paranoid Android, dessen Identität András Stumpf offenbar bekannt ist und der sich nach eigenem Bekunden für christliche Werte einsetzt, zu den „glühenden Christen“, die mit ihren Partnern außerhalb der Ehe leben und keine Kinder haben, obwohl sie weit über 30 Jahre alt sind – Anm. d. Red.) Das Privatleben der Menschen sei ihre Sache, schreibt Stumpf, aber wenn man eine Person von öffentlichem Interesse sei, könnte das Privatleben zu einer Frage der Glaubwürdigkeit werden.

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