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Erste Stellungnahmen zur EU-Migrationsvereinbarung

2. Jul. 2018

Regierungsfreundliche Kommentatoren stimmen mit Ministerpräsident Viktor Orbán überein: Die Übereinkunft der EU zum Thema Migration stelle einen gewaltigen politischen Erfolg für Ungarn und die Visegrád-Staaten insgesamt dar. Eine Kolumnistin des linken Spektrums wiederum hält die Abmachung für eine bittere Enttäuschung, während ein liberaler Experte ihre Bedeutung herunterspielt.

Beim EU-Migrationsgipfel haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs auf eine Abkehr von der Idee verpflichtender Quoten bei der Migrantenumverteilung verständigt und die Einrichtung von Flüchtlingszentren außerhalb der Europäischen Union sowie einen massiveren Schutz der EU-Außengrenzen vorgeschlagen. Ministerpräsident Orbán sprach im Hinblick auf das Abkommen von einem Sieg für Ungarn und die Visegrád-Staaten und sagte, es sorge dafür, „dass Ungarn ungarisch bleibt und kein Einwanderungsstaat wird“.

Endlich sei Europa zur Normalität zurückgekehrt, schreibt Levente Sitkei in Magyar Idők. Der regierungsnahe Kommentator hält es für eine beklagenswerte Tatsache, dass die Europäische Union drei Jahre gebraucht habe, um die Notwendigkeit eines Stopps der illegalen Migration einzusehen. Die Übereinkunft komme dem sehr nahe, was Ministerpräsident Orbán bereits seit einer geraumen Zeit gefordert habe. Der Kompromiss sei vor allem der Beharrlichkeit der ungarischen Regierung, der Haltung der neuen italienischen Regierung sowie der Abkehr Kanzlerin Merkels von ihrer Willkommenskultur-Ideologie zu verdanken. Das gilt nach Ansicht Sitkeis auch für die ad acta gelegten Pläne einer verpflichtenden Flüchtlingsumverteilung. Es bestehe also die Hoffnung, dass Europa letztendlich doch noch gerettet werden könne, lautet das abschließende Fazit des Kolumnisten.

Auf Mozgástér vertritt Tamás Lánczi die Auffassung, dass das EU-Migrationsabkommen als ein riesiger Erfolg für die ungarische Regierung zu werten sei. Der regierungsfreundliche Politikberater erinnert daran, dass mehrere Staats- und Regierungschefs eine 180-Grad-Wendung hätten vollziehen und ihre einstmals migrationsfreundlichen Standpunkte aufgeben müssen. Lánczi fragt sich, ob die Wähler diese Politiker – darunter Kanzlerin Merkel und Präsident Macron – wohl abstrafen würden.

Auch Mariann Őry von Magyar Hírlap interpretiert das Abkommen als einen Sieg für die Visegrád-Staaten und besonders für Ministerpräsident Viktor Orbán. Dennoch warnt sie vor der verfrühten Hoffnung, wonach die Migrationskrise gelöst sein könnte. Auch wenn die skizzierte Vereinbarung den Vorschlägen von Ministerpräsident Orbán entspräche, müsse sie doch auch umgesetzt werden, was politischen Willen voraussetze, so die regierungsfreundliche Kommentatorin. Inhaltlich geht Őry davon aus, dass die EU endlich ihren bisherigen „idiotischen und unverantwortlichen liberalen Menschenrechtsfundamentalismus“ revidiert und anerkannt habe, dass die Sicherheit an erster Stelle stehen sollte.

Besteht das ultimative Ziel der Demokratie im Stoppen der Migration?“, fragt Judit Kósa in ihrem in bitterem Ton verfassten Kommentar zum EU-Abkommen. In Népszava wirft die Autorin des linken Spektrums den Ungarn Rückständigkeit vor. Sie seien gedankenlose, fremdenfeindliche Dummköpfe und würden nicht einmal ihre grundlegenden Interessen erkennen. Kósa findet es verabscheuungswürdig, dass sich die Ungarn weder um Korruption noch um den Niedergang des Bildungs- und Gesundheitssystems oder die Beeinträchtigungen des unabhängigen Gerichtssystems scheren würden. Die Ungarn kümmerten sich um nichts, außer um ein Ende der Migration, wie von Ministerpräsident Orbán gefordert, empört sich Kósa. Besonders enttäuscht die Autorin, dass Europa nun scheinbar der immigrantenfeindlichen Vision von Ministerpräsident Orbán folge.

Die Migrationskrise sei weit davon entfernt, gelöst zu sein, hält Tamás Kugyela auf Index fest. Das Abkommen stelle lediglich eine vorübergehende Lösung dar, die der EU Zeit beschere, um angemessene politische Rahmenbedingungen für Migrationsbewegungen schaffen zu können, so der liberale Kommentator. Die Idee eines verpflichtenden Quotensystems zur Umverteilung von Migranten sei nicht komplett aufgegeben worden. Im Abkommen hieße es dazu lediglich, dass die in den zukünftigen freiwilligen Flüchtlingszentren aufzunehmenden Migranten nicht umverteilt würden. Allerdings sage der Text nichts darüber aus, was mit bereits eingetroffenen Migranten passieren solle, hebt Kugyela hervor. Auch würde im Abkommen die Respektierung der in den Vorschriften von Dublin festgelegten Prinzipien betont. Das bedeute demnach auch, dass die Umverteilung von Migranten eine legale Möglichkeit innerhalb der EU bleibe. Daher sei es widersinnig, die Vereinbarung in Kategorien wie Sieg und Niederlage auszudeuten. Die wichtigste Begleiterscheinung der Übereinkunft bestehe darin, dass die von der Migrationskrise erschütterten Regierungen, darunter die deutsche, Zeit gewonnen hätten, um mit einer praktikablen Migrationspolitik aufzuwarten, so Kugyela abschließend.

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