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Unterschiedliche Interpretationen der Geschehnisse in Chemnitz

1. Sep. 2018

Ein regierungsfreundlicher Kolumnist interpretiert die Auseinandersetzungen in Ostdeutschland als Beweis für das Scheitern der vom Berliner Kabinett verfolgten offenen Einwanderungspolitik. Demgegenüber sieht sein linkes Gegenüber in Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrer Regierung das einzige Bollwerk gegen den Rechtsextremismus.

Nachdem am vergangenen Wochenende in Chemnitz ein deutscher Staatsbürger erstochen und die Identität der Messerstecher (ein syrischer und ein irakischer Asylbewerber) bekanntgemacht worden war, ereigneten sich am Montag in der sächsischen Stadt Zusammenstöße zwischen rechtsextremen Demonstranten und linken Gegendemonstranten. Nach dem Einschreiten der Polizei begannen Gruppen von Rechtsextremen, Menschen mit offensichtlichem Migrationshintergrund tätlich anzugreifen. Seitdem wurden Kundgebungen und Demonstrationen sowohl von den örtlichen Sympathisanten der Regierungsparteien als auch von der oppositionellen einwanderungskritischen AfD durchgeführt.

Die Ereignisse im ehemaligen Karl-Marx-Stadt erinnern László Domonkos von der Tageszeitung Magyar Hírlap an Douglas Murrays „The Strange Death of Europe: Immigration, Identity, Islam“. (In dem Buch mit dem deutschen Titel „Der Selbstmord Europas: Immigration, Identität, Islam” hatte der britische Konservative festgestellt, dass der alte Kontinent den Glauben an seine Grundwerte verloren habe sowie von „kolonialer Schuld“ zerrissen und folglich dazu bestimmt sei, von „Eindringlingen übernommen zu werden, die in ihren jeweiligen Glaubensüberzeugungen fest entschlossen sind“ – Anm. d. Red.)
Domonkos kontrastiert die Politik der deutschen Regierung mit der Haltung des italienischen Innenministers Matteo Salvini und des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, die entschiedene Gegner der illegalen Einwanderung seien und Europa noch vor den Ereignissen in Chemnitz wiederholt gewarnt hätten. Möglicherweise werde man sich an das Treffen der beiden Politiker vom Dienstag in Mailand (siehe BudaPost vom 30. und 31. August) als ein historisches erinnern, mutmaßt Domokos.

In Népszava hingegen beschreibt Gábor Tóth die rechtsextremen Ausschreitungen in Chemnitz als das Ergebnis der Aktivitäten verantwortungsloser Politiker. Diese hätten leicht aus dem „natürlichen Misstrauen der Menschen gegenüber Fremden“ Kapital schlagen können. Es sei aber eine „niederträchtige und durchtriebene Lüge“, für die Messerattacke Hautfarbe und Religion der Täter verantwortlich zu machen. Immerhin würden Menschen zu Tausenden aus Venezuela in die umliegenden Länder fliehen und vergleichbare Probleme verursachen. Der Kommentator des linken Spektrums verurteilt die „politische Schule“, die zum Hass gegen Ausländer aufstachele, und stellt ihr das gegenüber, was er als eine verantwortungsvolle Alternative betrachtet. Sie unternehme den Versuch, „den Terror und die Verwilderung in unserem Blut“ zu entschärfen. „Das erfordert Mut“, schlussfolgert Tóth und lobt Bundeskanzlerin Merkel als Führungspersönlichkeit mit einer Fülle davon.

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