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Spannungen zwischen Ungarn und der Ukraine

15. Oct. 2018

Regierungsnahe Internetportale hegen den Verdacht, dass rechtsextreme ukrainische Organisationen, die die Adressen von unter kritischem Beschuss stehenden ethnischen Ungarn öffentlich machen, von der Regierung in Kiew unterstützt werden. Eine liberale Wochenzeitung wiederum wirft der ungarischen Regierung vor, sie spiele mit ihrer Haltung gegenüber der Ukraine Russland in die Hände.

Dániel Bohár macht auf 888 darauf aufmerksam, dass die ukrainischen Behörden die Rechte der nationalen Minderheiten des Landes allmählich zurückschrauben würden. Die Ukraine führe erfolglos Krieg gegen russische Separatisten in östlichen Landesteilen und die Behörden neigten dazu, die moralische Niederlage dort durch Attacken auf die kleine, hunderttausend Einwohner starke ungarische Minderheit im Westen auszugleichen, schreibt Bohár. Das staatliche Fernsehen berichte fast täglich aus der Karpato-Ukraine und zeige dabei, wie schlecht die dort ansässigen Magyaren die ukrainische Sprache beherrschen würden. Bisher hätten sich derartige Hasstiraden nicht auf die guten Beziehungen zwischen Ungarn und Ukrainern vor Ort ausgewirkt, notiert der regierungsnahe Autor. „Allerdings könnten die verabreichten allmählich größer werdenden Gifttropfen letztendlich zum Tode führen“, befürchtet Bohár.

Laut Pesti Srácok dürfte die jüngste Kampagne, die sich gegen in der Ukraine lebende Magyaren richtet, seitens offizieller Institutionen unterstützt werden. (Anfang Herbst war auf einem nationalistischen Internetportal ein heimlich gedrehtes Video veröffentlicht worden, das ukrainische Bürger im ungarischen Konsulat von Beregowe beim Ableisten des ungarischen Staatsbürgerschaftseids zeigt. Der Doppelpass ist gemäß ukrainischer Verfassung illegal, allerdings haben gegebenenfalls nur Beamten mit Konsequenzen zu rechnen. Dessen ungeachtet wurde der in Beregowe amtierende ungarische Konsul des Landes verwiesen, woraufhin Budapest als Vergeltungsmaßnahme einen ukrainischen Diplomaten zum Verlassen Ungarns aufforderte. Das selbe rechtsextreme Portal, Mirotworez (wörtlich: Friedensstifter), begann in der Folge mit der Veröffentlichung von Namen derjenigen ethnischen Ungarn, die vermeintlich auch ungarische Staatsbürger geworden waren – Anm. d. Red.)
Da Mirotworez neben den Namen auch Adressen und Passnummern der angeblichen Neubürger Ungarns publik machte, verweist Pesti Srácok nun darauf, dass derartige Informationen nur von den Behörden stammen könnten. Zudem sei der Gründer des Portals ein stellvertretender Minister, während es sich beim Geschäftsführer um einen ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter handele.
(Mirotworez hat inzwischen die Namen und Adressen von 500 Magyaren veröffentlicht, die als Verräter betrachtet werden. Und auf der Website des ukrainischen Parlaments hat eine extremistische Organisation mit einer Unterschriftenaktion begonnen. Die ihr zugrundeliegende Petition fordert die Ausweisung ethnischer Ungarn aus der Ukraine – Anm. d. Red.)

In einer ausführlichen Analyse für Magyar Narancs äußert András Radnóti die Ansicht, dass Ungarn zur Vermeidung weiterer Konfrontationen mit der Ukraine den ungarischen Konsul hätte zurückbeordern sollen. Jedoch vermutet der Analyst, dass die ungarische Regierung – um sich als Beschützerin der ungarischen Mitbürger präsentieren zu können – eine Erhöhung der Spannungen betreibe. Deshalb habe Ungarn zum sechsten Mal seit der Verabschiedung eines umstrittenen Bildungsgesetzes gegen die Einberufung des NATO-Ukraine-Rates gestimmt. (Das vom ukrainischen Parlament gebilligte Gesetz verbietet den Unterricht in Minderheitensprachen nach den ersten vier Jahren der Grundschule, enthält jedoch eine Klausel, die bei Sprachen von EU-Mitgliedstaaten Ausnahmen erlaubt – Anm. d. Red.)
Anstatt nun also zu versuchen, unter Verweis auf diese Klausel das Gesetz im Hinblick auf Ungarisch nicht zur Anwendung kommen zu lassen, fordere Ungarn dessen komplette Rücknahme. Radnóti vermutet, dass die Regierung in Budapest nicht nur ihren eigenen politischen Zwecken im Inland diene, sondern zusätzlich auch noch denen Russlands. Dabei läge es im besten Interesse Ungarns, würde in Kiew eine starke und demokratische Regierung im Amt sein.

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