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Was uns 56 lehrt

23. Oct. 2018

Je ein regierungsnaher und ein regierungskritischer Kommentator ziehen ihre Schlüsse aus den Geschehnissen vom Oktober und November 1956, wobei sie sich an der aktuellen politischen Lage orientieren. Keine Überraschung, dass sie zu vollkommen entgegengesetzten Ergebnissen kommen.

Noch einen Tag vor Ausbruch der Revolution am 23. Oktober 1956 habe niemand in Budapest gewusst, was wohl passieren würde. Daran erinnert Népszava-Chefredakteur Gábor Horváth und fährt fort: Die Führung der kommunistischen Partei habe sich auf einem kollektiven Sühnegang in Jugoslawien befunden, um sich vor Ort für den anti-jugoslawischen Feldzug der Vorjahre zu entschuldigen. Die ersten Demonstranten seien noch für recht gemäßigte Veränderungen auf die Straße gegangen. Von einer Absetzung der Regierung hätten sie nicht einmal zu träumen gewagt. Der Aufstand habe mit dem Beschuss von Demonstranten durch die Polizei vor dem Funkhaus von Magyar Rádió begonnen. Horváth geht davon aus, dass die derzeitige Regierung verstanden habe, dass niemand Gewalt anwenden sollte. Andererseits könne man nie wissen, wann sich unter der scheinbar ruhigen Oberfläche mächtige Emotionen zusammenbrauen würden, warnt der linksorientierte Journalist.

Sándor Faggyas lässt die Geschichte der Aufstände in Ungarn Revue passieren und kommt zu dem Schluss, dass, obwohl alle – mit Ausnahme des Unabhängigkeitskriegs gegen Österreich im 17. Jahrhundert – niedergeschlagen worden seien, jeder einzelne von ihnen zur Entstehung des freien Ungarns beigetragen habe. Auch die Revolution von 1956 sei gescheitert, doch habe ihr Geist bist zur Erringung der ungarischen Freiheit 1990 unter der Oberfläche überlebt. Der Redakteur der regierungsnahen Tageszeitung Magyar Hírlap macht zudem darauf aufmerksam, dass diese Aufstände durch zahlenmäßig überlegene ausländische Kräfte erstickt worden seien. Angesichts dessen müsse Ungarn stets die internationalen Realitäten berücksichtigen, dürfe jedoch nie aufhören, sein Äußerstes für die Bewahrung der Identität und nationalen Souveränität des Landes in die Waagschale zu werfen.

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