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Weitere Kommentare in Sachen CEU

29. Oct. 2018

Kommentatoren des linken Spektrums sehen im Umgang der Regierung mit der Central European University einen Lackmustest, wobei eine Journalistin erklärt, warum Ministerpräsident Viktor Orbán in der Angelegenheit keinen Kompromiss eingehen könne. Regierungsfreundliche Medien wiederum ziehen Demonstrationen gegen den geplanten Umzug der meisten CEU-Studiengänge nach Wien ins Lächerliche.

Judit N. Kósa fragt sich, was zukünftige CEU-Absolventen einmal in ihren Abschlussarbeiten zu den aktuellen Vorgängen im Zusammenhang mit ihrer Universität schreiben werden. Sie könnten die gegenwärtige Regierung als sich rücksichtslos an die Macht klammernd beschreiben, so Kósa in Népszava. Auch dürften die Studenten es als unglücklichen Zufall bezeichnen, dass der amerikanische Botschafter, der mit der Regierung habe verhandeln wollen, ein unerfahrener Geschäftsmann gewesen sei. Was die künftigen Autoren über die Ursprünge der Idee einer Vertreibung der CEU zu sagen haben würden, ist für Kósa schwer zu ermessen. Werde diese betreffende Person vielleicht gedacht haben, die Ungarn seien derartig massiv zum Hass auf Wissen, Freiheit und autonomes Denken gebracht worden, dass sie einen solchen Schritt tolerieren würden? Ihre bittere Antwort lautet: Die Person, die diese Idee gehabt habe, sei durch den Lauf der Ereignisse bestätigt worden.

In einem höchst emotionalen Beitrag für Mérce sieht Zsolt Kapelner den nahezu sicheren Wegzug der CEU aus Budapest als Beweis dafür, dass „die Herrschaft der Tyrannei vollkommen ist“. Mit der CEU verliere Ungarn „eine der letzten noch verbliebenen fortschrittlichen, hochklassigen und westlich geprägten Institutionen“. „Die Flügel der im Wind brennenden Seele werden langsam pulverisiert“, meint der Autor und fährt fort: „Menschliches Denken und der menschliche Geist liegen begraben in den Tiefen eines Sumpfes aus Unterwürfigkeit und intellektueller Leere.“ Kapelner begrüßt die von Momentum am Freitag vor dem CEU-Gebäude abgehaltene Demonstration unter dem Slogan: „Wir lassen unsere Zukunft nicht los!“ Allerdings glaubt der Autor, dass ihr Kampf verloren sei. Demzufolge lautet das bittere Fazit Kapelners: „Die CEU wandert ab. Wir haben verloren.“

Gondola gibt Auszüge von Kapelners Artikel unter dem Titel „Das Hirn eines jungen CEU-Mannes“ in seiner „Täglich absurd“ genannten Kolumne wieder. In ihrer Unterzeile zitiert die regierungsfreundliche Seite die Kapelner’sche Beschreibung des gegenwärtigen politischen Systems in Ungarn – eine Halb-Peripherie, die sich in post-faschistischen Terrorismus verwandelt – und charakterisiert sie als offensichtlichen Unsinn.

Die Protestierenden hätten keinen wirklichen Grund zur Beschwerde, glaubt Balázs Dezse von Pesti Srácok, denn ihre ungarischen Studiengänge könnten weiterhin in Ungarn absolviert werden, auch wenn man diejenigen mit US-Abschluss nach Wien verlegen sollte. Studenten, die einen ungarischen Master-Abschluss an der CEU anstrebten, würden demnach nichts verlieren, argumentiert der Autor. Ebenso sei es für amerikanische Studenten vollkommen gleichgültig, ob sie in Budapest oder Wien studieren würden. Dessen eingedenk findet Dezse die Vorwürfe der Redner auf der Freitagsdemo vollkommen unbegründet, wonach es die Regierung auf die Vertreibung junger Generationen aus Ungarn abgesehen habe.

Auf dem Internetportal des oppositionellen Fernsehsenders ATV erklärt die ehemalige Népszabadság-Journalistin Ildikó Csuhaj, dass Ministerpräsident Viktor Orbán seine eigenen Anhänger irritieren würde, sollte er zu einem Zugeständnis gegenüber der von George Soros gegründeten Budapester Central European University bereit sein. Angesichts der vergangenes Jahr von der Regierung betriebenen Anti-Soros-Kampagne würde es dem Ministerpräsidenten schwer fallen, internationalem Druck nachzugeben, darunter den anhaltenden Bemühungen des neuen amerikanischen Botschafters. Stattdessen schlage die Regierung vor, dass die CEU gemeinsame Abschlüsse mit einer in den USA ansässigen Uni anbieten sollte. Dadurch ließe sich das Gesetz umgehen, wonach eine ausländische Bildungsinstitution nur dann Abschlüsse in Ungarn anbieten dürfe, wenn sie über eine Mutteruniversität verfüge. Csuhaj berichtet, dass angesichts der jüngsten Ereignisse eine Quelle aus Kreisen der Regierung ihr gegenüber geäußert habe: „CEU-Präsident Michael Ignatieff hält dem Ministerpräsidenten eine Waffe an den Kopf – allerdings ist die Waffe nicht geladen.“

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