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Streit um Friedhof in Siebenbürgen

17. Jun. 2019

Ein linksorientierter Kommentator äußert die Befürchtung, dass die ungarische Regierung Auseinandersetzungen zwischen Magyaren und Rumänen in Siebenbürgen nutzen werde, um irredentistischen Hass zu entfesseln. Ein regierungsfreundlicher Publizist fordert Ungarn auf, Stärke zu beweisen und hofft, dass Siebenbürgen bald wieder Teil Ungarns sein werde. Ein anderer der Regierung nahestehender Kolumnist verlangt eine Mäßigung auf beiden Seiten.

Vergangene Woche kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Magyaren und Rumänen über einen in Siebenbürgen gelegenen Friedhof mit Gefallenen des Zweiten Weltkriegs, nachdem Rumänen in Erinnerung an rund ein Dutzend ihrer Soldaten hatten Kreuze errichten wollen. Diese sind dort Seite an Seite mit Hunderten ungarischer Soldaten begraben. Der ungarische Außenminister Péter Szijjártó betonte, sein Land wolle das friedliche Zusammenleben von Magyaren und Rumänen in Siebenbürgen fördern. Er forderte die rumänische Regierung auf, die Provokationen anti-ungarischer Nationalisten zu unterbinden, und bestellte den rumänischen Botschafter ins Außenministerium ein. Der Botschafter ignorierte das Ersuchen Szijjártós. Die Verteidigungsministerien beider Länder haben sich mittlerweile verpflichtet, eine Lösung für das Problem zu finden.

In Népszava äußert Tamás Beck die Befürchtung, dass revisionistische und nationalistische Stimmungen wiederbelebt werden könnten. Für den linksorientierten Kommentator ist es eine Enttäuschung, dass ungeachtet der Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich, der Integration Europas und dem Wegfall der Binnengrenzen nationale Ressentiments in Osteuropa nicht verschwunden seien. Mit Blick auf die Geschehnisse in Siebenbürgen vermutet Beck, dass die ungarische Regierung den Konflikt eskalieren werde. Sollte dereinst die gegen Immigranten gerichtete Panikmache an Bedeutung verlieren, werde Ministerpräsident Orbán den traditionellen nationalistischen Diskurs übernehmen und sich für die Wiederherstellung Großungarns im Geiste des Regenten Horthy einsetzen, argwöhnt Beck.

Der Chefredakteur des Wochenmagazins Magyar Demokrata, András Bencsik, fordert Ungarn auf, „Stärke zu zeigen“, um Magyaren in Siebenbürgen zu verteidigen. Der regierungsfreundliche Kolumnist interpretiert das siebenbürgische Scharmützel als weiteres Beispiel für die – seit der Annektion Siebenbürgens durch Rumänien im Jahre 1920 – gegen Magyaren gerichtete „rumänische Barbarei“. Die Unfähigkeit der rumänischen Behörden, den Konflikt zu beenden, beweise, dass „Rumänien nicht als Staat betrachtet werden kann“ und dass es zudem die „rumänische Mentalität“ Ungarn unmöglich mache, ungarische Interessen mit friedlichen Mitteln zu verteidigen. Der Autor regt an, dass Ungarn Rumänien damit drohen sollte, sich für alle an Magyaren begangenen Gräueltaten zu rächen, wenn Ungarn Siebenbürgen zurückerobere, was – so die Hoffnung Bencsiks – früher oder später unweigerlich geschehen werde.

Auch Samu Csinta geht in Magyar Nemzet davon aus, dass der ethnische Konflikt Teil der Bemühungen rumänischer Nationalisten sei, die magyarische Minderheit in Siebenbürgen zu schwächen. Csinta glaubt, dass der Demokratische Verband der Ungarn in Rumänien (RMDSZ), die wichtigste magyarische Partei in Siebenbürgen, nicht mehr so moderat auftreten könne wie früher bei der Verteidigung der ungarischen Interessen. Jedoch mahnt Csinta Mäßigung an, um einen neuen Modus vivendi finden zu können. Darüber hinaus weist er Behauptungen zurück, wonach der Streit um den Friedhof in irgendeiner Weise mit den in der Vergangenheit gewaltsam ausgetragenen ethnischen Konflikten in Siebenbürgen zu vergleichen sei.

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