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Im Fokus der Wochenpresse: Ungarn und die EU

8. Jul. 2019

Im Beitrag einer eher gemäßigt ausgerichteten Publikation werden die Chancen der Regierung abgewogen, Kritik nach der Wahl einer neuen EU-Kommission Widerstand zu leisten. Der Opposition nahestehende Blätter werfen der Regierung massive Korruption vor, während ein regierungsnaher Publizist glaubt, dass die Regierenden das Vertrauen der Bürger genießen würden.

In Hetek äußert István Pócza die Hoffnung, dass die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die Jean-Claude Juncker als Präsidentin der Europäischen Kommission ablösen wird, ein „besseres Zeitalter“ in der Geschichte der Europäischen Union eröffnen werde. Ungarn habe ihre Kandidatur unterstützt, doch der eigentliche Test für den ungarischen Einfluss in Brüssel stehe erst noch an. Der scheidende Justizminister László Trócsányi als Kandidat Ungarns für ein Amt in der Kommission müsse vom Europäischen Parlament gewählt werden. In diesem Zusammenhang ist der Analyst sicher, dass er im Laufe dieses Prozesses mit deutlicher politischer Kritik werden leben müssen. Später werde Ungarn um ein möglichst großes Stück Kuchen bei der Verteilung von EU-Finanzmitteln verhandeln müssen. Dabei dürfte man um ideologische Scharmützel kaum herumkommen. So werde Ungarn beispielsweise Anstrengungen abwehren müssen, Länder schlechter zu stellen, in denen die Demokratie angeblich gefährdet sei. Ein drittes Thema mit ungewissem Ausgang ist die Mitgliedschaft des Fidesz in der Europäischen Volkspartei. Für Pócza steht außer Zweifel, dass Manfred Weber, der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, versuchen werde, sich an der ungarischen Regierungspartei zu rächen. Immerhin habe sie an der Spitze derjenigen Länder gestanden, die seine Kandidatur für das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission vereitelt hätten.

Es sei doch deprimierend, dass laut internationalen Umfragen die Bevölkerung Ungarns ihre Zukunft übermäßig gutgläubig der Regierung anvertraue, schreibt Sándor Révész in Heti Világgazdaság. Während die meisten Ungarn fürchten, nicht genug Geld zur Deckung ihrer medizinischen Kosten zur Verfügung zu haben, misstrauten sie der Idee einer wettbewerbsorientierten Krankenversicherung und wünschten stattdessen, dass sich die Regierung um das Gesundheitswesen kümmern sollte. Die Regierung leiste einer solchen Denkweise Vorschub. Die Machthaber wollten ihre Souveränität über das Wohl des Landes und seiner Bürger maximieren und daher autonome sowie verantwortungsvolle Aktivitäten und eine positive Einstellung zur Selbsthilfe unterdrücken, behauptet der liberale Autor. Auf diese Weise werde Ungarn zu einem Land sich beklagender und pessimistischer Bürger werden. Révész steht aber auch der Opposition sehr kritisch gegenüber. So strebe deren Führungspersonal an die Schalthebel der Macht, indem es seine Politik auf den Klagen der Menschen gründe, anstatt sie aus ihrem passiven Geisteszustand aufzurütteln. Statt ihnen zu sagen, dass sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen sollten, bitte die Opposition die Wähler, ihr Schicksal in ihre Hände zu legen. Das Ergebnis werde zwangsläufig „ein trauriges Ende sein“, orakelt Révész abschließend.

In einem noch deutlich wütenderen Kommentar für Magyar Hang wirft Chefredakteur Zsombor György der Regierung vor, mit öffentlichen Geldern in unverantwortlicher Art und Weise umzugehen. Ausgangspunkt ist das auf vier Millionen Forint erhöhte Monatsgehalt des Chefs der nationalen Medienbehörde. Derartig hohe Gehälter in Höhe des 13-fachen des durchschnittlichen Monatslohns seien bei CEOs großer Staatsunternehmen üblich. Er stellt diese hohe materielle Anerkennung den Mangel an technischen Geräten in Krankenhäusern gegenüber. Auch wirft er einem Freund des Ministerpräsidenten vor, Unternehmen ihren Eigentümern gewaltsam wegzunehmen. György behauptet auch, dass die Angehörigen des Präsidenten der Nationalbank Insiderhandel betreiben würden. Dieses Land werde von einem Taschendiktator in intellektueller und materieller Sklaverei gehalten, den er als den größten Taschenspieler der Weltgeschichte bezeichnet.

In Demokrata bringt Chefredakteur András Bencsik seine Freude darüber zum Ausdruck, dass die von der Regierung ausgegebene neue Anleihe von weiten Treilen der Bevölkerung angenommen werde. Die Bürger häten in den ersten Wochen ihrer Existenz über tausend Milliarden Forint für den Kauf dieser Anleihen ausgegeben. Bencsik interpretiert dieses Ergebnis als Beleg dafür, dass die ungarischen Bürger der Regierung vertrauen würden. Die Anleihe biete eine Rendite von 25% bei einer Laufzeit von fünf Jahren zu einem Zeitpunkt, da der Zinssatz für Bankeinlagen nahe null liege. Aber diejenigen, die in die Anleihe investieren, würden dies unterlassen, wenn sie kein Vertrauen in die Solidität der nationalen Währung häten, notert Bencsik.

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