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Budapester OB-Wahl im Spiegel der Wochenpresse

23. Sep. 2019

Drei Wochen vor den landesweiten Kommunalwahlen bewerten politische Kommentatoren von Wochenzeitungen sowie Wochenendausgaben verschiedener Tageszeitungen die Chancen der Opposition in Budapest und den Großstädten auf einen Sieg über ihre Wettbewerber aus dem Regierungslager.

Laut der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Závecz Research kann der Fidesz seinen Vorsprung in ländlich geprägten Regionen behaupten. In Großstädten sowie in der Metropole Budapest hingegen liefern sich demnach der Fidesz und die Opposition ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

András Bencsik fragt sich, warum der amtierende Budapester Bürgermeister István Tarlós nur so hauchdünn vor dem gemeinsamen Kandidaten der Oppositionsparteien, Gergely Karácsony, in Führung liege. Der Chefredakteur des regierungsnahen Wochenmagazins Magyar Demokrata verweist auf anonym bleibende Karácsony-Anhänger, die einräumen würden, dass Budapest unter Tarlós deutlich besser dastehe als während der fünf Amtszeiten seines liberalen Vorgängers Gábor Demszky. Budapest habe sich zu einer der beliebtesten Tourismusstädte weltweit entwickelt. Und so äußert Bencsik die Vermutung, dass Gergely Karácsony von Wählern unterstützt werde, die den Fidesz hassen würden und ihre Unzufriedenheit mit der Regierung zum Ausdruck bringen wollten.

„István Tarlós ist verrückt geworden“, heißt es im Wochenleitartikel von Magyar Narancs. (Vergangene Woche hatte sich der Abgeordnete von Párbeszéd, Bence Tordai, auf einer Pressekonferenz direkt an István Tarlós gewandt und den Bürgermeister gefragt, ob er zu einem öffentlichen Streitgespräch mit Herausforderer Gergely Karácsony bereit sei. So angesprochen ergriff Tarlós ein Megaphon und erklärte, dass es sich bei Tordai um einen „bekannten Provokateur“ und eine „geistig behinderte Person“ handele, die man in diesen seltsamen Tagen zu tolerieren habe. Tarlós’ Aussagen wurden von der Opposition sowie einer Organisation von Menschen mit Behinderungen kritisiert. Daraufhin wiegelte der Bürgermeister ab und erklärte, er wolle Behinderte nicht beleidigen, sondern lediglich darauf hinweisen, dass es Tordai an gesundem Urteilsvermögen mangele und er daher nicht qualifiziert sei, als Politiker zu fungieren – Anm. d. Red.) Magyar Narancs bezeichnet die Aussage von Tarlós als ekelerregend, da sie – gemäß der Sichtweise der liberalen Wochenzeitung – impliziere, dass Menschen mit geistigen Behinderungen in normalen Zeiten keine Toleranz und keinen Respekt verdienen würden.

Ottó Gajdics stellt sich an die Seite von Bürgermeister István Tarlós: Eine öffentliche Debatte zwischen ihm und Gergely Karácsony würde zu einem bösen Schauspiel ausarten, das der Oppositionskandidat nutzen würde, um die Hysterie gegen die Regierung zu schüren. Der Kommentator der regierungsnahen Tageszeitung Magyar Nemzet vermutet, dass die Opposition mit ihrer Kritik an der Regierung ihre Popularität steigern und moderate Wähler mobilisieren wolle. Stattdessen aber sollte sie einen vernünftigen und glaubwürdigen kommunalpolitischen Alternativplan ausarbeiten, empfiehlt Gajdics und konstatiert: Unter derartigen Umständen würden aus öffentlichen Diskussionen sinnlose Medienaufreger werden.

In Népszava wirft Péter Németh István Tarlós vor, er greife auf grobe und unfaire Wahlkampfmethoden zurück. Der linksorientierte Autor erinnert an ein früheres an Bürgermeister Tarlós gerichtetes Angebot Gergely Karácsonys, dem zufolge man auf einen rüden und hysterische Wahlkampf verzichten sollte. Németh glaubt, dass Bürgermeister Tarlós diesen Verhaltensregeln nicht zugestimmt habe. Während Tarlós behaupte, er sei Fidesz-unabhängig, um zu vermeiden, dass mit der Regierung unzufriedene Budapester Wähler verprellt würden, kämen die Fidesz-nahen Medien Tarlós durch den Rückgriff auf unlautere und böse Winkelzüge zu Hilfe.

Sollte es den Oppositionskandidaten nicht gelingen, den Fidesz in Budapest und anderen Großstädten zu besiegen, werde die Opposition kollabieren. Das schreibt Balázs Böcskei, Direktor der linken Denkfabrik IDEA, auf Azonnali. Böcskei vermutet, dass eine Niederlage von Bürgermeister Tarlós in Budapest ein wichtiger symbolischer Triumph sein könnte, mit dessen Hilfe die Opposition wohl ihre Basis im ganzen Land stärken würde. Sollten hingegen Gergely Karácsony und andere Oppositionskandidaten in Budapest und weiteren Großstädten scheitern, müssten sie und andere Spitzenkräfte der Opposition aus der Politik aussteigen, notiert Böcskei. Mit Blick auf die Chancen der Regierungsgegner besteht für den Autor die Hauptfrage darin, ob es der Opposition gelingen werde, moderate Wähler mit der Behauptung zu mobilisieren, die Unterstützung ihrer Kandidaten sei gleichbedeutend mit einer Stimmabgabe gegen die Regierung. Die Oppositionskandidaten stünden vor einer schwierigen Aufgabe, da die Regierung im Allgemeinen durchaus beliebt sei und bereits über mehrere Legislaturperioden amtierende Fidesz-Bürgermeister häufig von mehr Bürgern unterstützt würden als ihre Partei, gibt Böcskei zu Bedenken.

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