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Mária Schmidt reagiert auf die Memoiren von László Rajk jun.

4. May. 2020

Eine konservative Historikerin kritisiert László Rajk jun., weil er die gegenwärtige Regierung in kritischerem Licht sehe als die kommunistische Diktatur.

In ihrer Rezension eines als Buch veröffentlichten ausführlichen Interviews kritisiert die Historikerin Mária Schmidt László Rajk jun. für das fehlende Eingeständnis, dass er und andere liberale Antikommunisten als Kinder kommunistischer Amtsträger zahlreiche Privilegien genossen hätten. (László Rajk sen. diente als Innen- sowie Außenminister und beaufsichtigte die kommunistische Geheimpolizei ÁVH, bevor er von seinem früheren Kampfgefährten Mátyás Rákosi angeklagt und nach einem Schauprozess hingerichtet wurde.) Schmidt schreibt auf Látószög, dass Rajk jun. von der kommunistischen Partei als unantastbar betrachtet worden sei und er sowie andere Mitglieder der linksliberalen Opposition mit kommunistischen Vorfahren das Regime hätten kritisieren können, ohne zu viel zu riskieren. Besonders seltsam findet es Schmidt, dass Kinder kommunistischer Kader, die von ihren Eltern beschützt worden seien, nun jeden als Helfershelfer der Diktatur bezeichnen würden, der die demokratisch gewählte gegenwärtige Regierung nicht als unrechtmäßig betrachte.

Árpád W. Tóta von Heti Világgazdaság erinnert daran, dass Mária Schmidt László Rajk jun. 2019 in eine Briefmarkenserie prominenter Ungarn habe aufnehmen wollen. Der liberale Kolumnist hält Mária Schmidts Rezension und ihre Kritik an Rajk daher für unbegründet und nennt sie eine „bipolare Historikerin“.

Róbert Friss von Népszava bezichtigt Mária Schmidt schlichtweg der Lüge. Der linke Kommentator glaubt, dass László Rajk jun. die Beteiligung seines Vaters an den Verbrechen des kommunistischen Regimes durchaus anerkannt habe, und schreibt: Rajk sei ein vehementer Gegner nicht nur des Kommunismus stalinistischer Prägung, sondern auch von János Kádárs Gulasch-Kommunismus gewesen. Mária Schmidt hingegen sei für ihn aufgrund ihrer „ideologisch motivierten“ Kritik an dem 2019 verstorbenen Rajk jun. „moralisch tot“.

Auf Index hält Róbert Braun einige von Mária Schmidts Bemerkungen für geschmacklos, erkennt jedoch an, dass die Kernaussage der konservativen Historikerin Sinn ergeben würde. Der links ausgerichtete Analyst, der als Berater für die sozialistischen Ministerpräsidenten Medgyessy und Gyurcsány tätig war, vertritt die Ansicht, dass Rajk und seine Mitstreiter es tatsächlich versäumt hätten, die Verantwortung ihrer Eltern für kommunistische Verbrechen zur Gänze anzuerkennen. Ohne sich der Geschichte zu stellen und die Beteiligung unserer Vorfahren an Verbrechen anzuerkennen, könne Ungarn keine starke politische Gemeinschaft bilden, hält Braun fest. Als Paradebeispiel, sich seiner schmerzlichen Familienvergangenheit zu stellen, nennt Braun das Verhalten von Zoltán Pokorni, dem Bürgermeister des XII. Budapester Stadtbezirks, nachdem sich herausgestellt hatte, dass dessen Großvater ein Mörder aus den Reihen der Pfeilkreuzler gewesen sei (siehe BudaPost vom 23. Januar 2020).

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