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Verhärtete Fronten im Streit um die SZFE

7. Sep. 2020

Die Auseinandersetzung über vorgesehene Umstrukturierungen bei der Universität für Theater- und Filmwissenschaft (SZFE) hält unvermindert an. Dabei eskaliert zur Zeit die politische Debatte zu einem regelrechten Kulturkrieg zwischen Regierung und Opposition, wobei beide Seiten die Möglichkeit eines Kompromisses ausschließen.

Bence Apáti wirft der früheren Leitung der Theater- und Filmuniversität eine linksliberal geprägte Voreingenommenheit und Propaganda vor. Der Redakteur der regierungsnahen Tageszeitung Magyar Nemzet schreibt, dass die „verrückten linksliberalen“ Professoren der SZFE die Regierung unablässig kritisiert und sich für die Homo-Ehe, Transgender-Rechte sowie die Migration eingesetzt hätten. Darüber hinaus erwarteten sie von den Studenten, dass sie ihrer Ideologie und ihrer politischen Ausrichtung folgen würden. Gleichzeitig brächten sie rechte und konservative Studenten zum Schweigen. Apáti schließt mit der Behauptung, dass es die einstigen Chefs der SZFE gewesen seien, die bei der Übernahme der Institution vor dreißig Jahren einen politischen und ideologischen Angriff auf die Universität unternommen hätten.

Auf Vasárnap fordert Kristóf Trombitás einen „Regimewechsel im Bereich der Kultur“. Trombitás hält es für durchaus gerechtfertigt, wenn konservative Nationalisten mehr Präsenz in kulturellen Institutionen für sich einfordern würden. Die unter dem Kommunismus vom kulturellen Leben eliminierten Rechten befänden sich nach wie vor in der Minderheit, da es den linksliberalen Regierungen vor 2010 nicht gelungen sei, „das Monopol“ der kommunistischen Kultureliten zu brechen. Nach Ansicht von Trombitás müssen sich die christlichen Konservativen mit den gegenwärtigen linken Eliten auseinandersetzen, um ihre Rolle im kulturellen Leben Ungarns zurückzuerobern.

Im Wochenjournal Magyar Demokrata interpretiert László Szentesi Zöldi den Widerstand gegen die neue SZFE-Führung als das Bemühen „liberaler, kommunistischer, anarchistischer, feministischer und homosexueller“ Eliten, ihre Machtpositionen im kulturellen Leben aufrechtzuerhalten. Der regierungsfreundliche Kommentator hält auch die gegenwärtigen liberalen Kultureliten für Nachfolger der Kommunisten. Szentesi Zöldi stellt fest, dass der Kampf um die kulturelle Vorherrschaft nicht mehr ein Kampf zwischen Regierungspartei und Opposition sei, sondern vielmehr eine Frage von „ungarischer Kultur, ungarischem Denken und ungarischer Lebensweise“. Daher sei ein Kompromiss zwischen den beiden Lagern nicht möglich – entweder hielten die Liberalen ihre Vorherrschaft in der Kultur aufrecht, oder diejenigen, die das nationale Interesse in den Vordergrund stellten, würden die Macht übernehmen, umreißt Szentesi Zöldi abschließend die Optionen.

Márton Bede von 444 lobt die Studenten der SZFE für die Besetzung ihrer Universität (siehe BudaPost vom 3. September) aus Protest gegen die Umstrukturierungspläne der Regierung sowie die neue Führung. Der liberale Kommentator ist der Meinung, dass sowohl die Index-Redaktion (die aus Angst vor einer Einmischung der Regierung in ihre redaktionelle Arbeit geschlossen zurückgetreten war – siehe BudaPost vom 27. und 28. Juli sowie 3. August) als auch die SZFE-Studenten den Ungarn ein gutes Beispiel geben würden, machten sie doch deutlich, dass der Regierung kompromisslos Widerstand geleistet werden sollte. Möge der Aufstand der Studenten und der Rücktritt führender Fakultätsmitglieder der Regierung starke Kopfschmerzen bereiten – und sich auch zu einem ersten Anzeichen eines umfassenderen Widerstands gegen die Regierung entwickeln.

Auch Magyar Narancs feiert in ihrem Wochenleitartikel auf Seite eins die Entschlossenheit der SZFE-Studenten, „bis zur letzten Kugel kämpfen zu wollen“. Das liberale Wochenmagazin meint, dass die Studentenrevolte vielleicht nicht lange anhalten werde, aber selbst falls sie scheitern sollte, habe sie doch ein gutes Beispiel gegeben – ein Beispiel für den Versuch, sich der Regierung zu widersetzen, die alles „plündern“ wolle.

Auf Mérce versteigt sich Márk Losonc zu der Behauptung, dass der Protest der SZFE-Studenten für das ganze Land – ja sogar für die ganze Welt – von Bedeutung sei. Die staatlichen Universitäten gehörten in erster Linie den Studenten, argumentiert der altlinke Blogger. Deshalb sollten sie selbst entscheiden, wie und von wem sie verwaltet werden. Der Autor vergleicht den Umstrukturierungsplan der Regierung mit kapitalistischen Privatisierungspraktiken und behauptet, die Regierung wolle die Universität an ihre Gefolgsleute und Freunde weiterreichen. Losonc hofft, dass rebellierende Studenten auf den Geschmack von Basisdemokratie und kollektiver Entscheidungsfindung kommen und zudem anderen ein Beispiel dafür geben würden, wie man sich der Regierung widersetzt.

Péter Németh von Népszava ruft zum organisierten Widerstand gegen die „scheibchenweise Übernahme aller wichtigen Institutionen“ durch die Regierung auf. Der linke Journalist räumt ein, dass „wir uns nicht im Jahr 1944 befinden“ und es in Ungarn keine offene Diktatur gebe. Dennoch meint Németh, dass sich die von der Regierung Bedrängten zusammenschließen müssten, sonst würden die Regierenden sie einen nach dem anderen jagen. Nach der CEU, dem Forschungsnetzwerk der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und jetzt der Theater- und Filmuniversität würden dann weitere Institutionen ins Visier genommen, orakelt Németh.

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