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Kontroverse Ansichten über Ungarns Coronavirus-Bilanz

16. Nov. 2020

Linke und liberale Kommentatoren werfen der Regierung vor, mit ihrer falschen Reaktion auf die Coronavirus-Epidemie das Leben der ungarischen Bevölkerung aufs Spiel zu setzen. Regierungsnahe Kolumnisten hingegen bezeichnen diese Kritik als Panikmache und Demagogie.

In einem sarkastischen Artikel für die Tageszeitung Népszava notiert Péter Németh, der Ministerpräsident sende verworrene Botschaften über die Coronavirus-Lage aus. Der linksorientierte Kolumnist erinnert daran, dass Viktor Orbán die letzte Einschränkungsrunde sowie die Verhängung des Ausnahmezustands mit der Behauptung begründet habe, es bestehe ein 50-prozentiges Risiko für einen Kollaps des Gesundheitssystem während der zweiten Pandemiewelle. Einen Tag später habe er hingegen erklärt, dass nach den neuerlichen Restriktionen eine Chance von 99,9 Prozent bestehe, dass das Gesundheitssystem den Herausforderungen gewachsen sei und es allen Patienten eine angemessene Versorgung bieten könne. Németh hält diese beiden Aussagen für widersprüchlich.

András Nagy Csomor vom Nachrichtenportal Mandiner hingegen wirft den Kritikern der Regierung Angstmacherei und eine verzerrende Berichterstattung vor. Der Ministerpräsident habe sagen wollen, dass das Gesundheitssystem ohne weitere Einschränkungen hätte zusammenbrechen können. Doch nach Umsetzung entsprechender Maßnahmen werde es die Herausforderungen meistern, gibt sich Nagy Csomor zuversichtlich.

Ebenfalls auf Mandiner wirft Dániel Kacsoh der Opposition vor, sie greife in unverantwortlicher Art und Weise auf politische Tricksereien zurück. Der Autor bezieht sich vor allem auf die Behauptung, die Regierung lasse das ungarische Gesundheitssystem zusammenbrechen und Tausende von Ungarn sterben. Eine solche Panikmache sowie die Forderung der Opposition nach noch mehr Subventionen, um den Ungarn bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Krise zu helfen, seien nichts anderes als reine Demagogie, echauffiert sich Kacsoh.

Die ungarischen Behörden hätten die Kontrolle verloren und könnten die Ausbreitung des Virus nicht eindämmen, glaubt Illés Szurovecz. In einem Beitrag für 444 erinnert der liberale Kommentator daran, dass Ministerpräsident Orbán zu Beginn der zweiten Welle seinem Kabinett empfohlen habe, sich besser auf die Zahl der coronavirusbedingten Todesfälle und nicht auf die Infektionsrate zu konzentrieren. Da die Zahl der Todesopfer gestiegen sei, ziehe die Regierung nunmehr den Blick auf die Infektionsrate vor, wenn sie die Situation Ungarns mit der anderer Länder vergleiche, stellt Szurovecz fest und ergänzt: Die ungarische Regierung behaupte gerne, dass sie bei der Bewältigung der gesundheitlichen Auswirkungen des Coronavirus dem österreichischen Beispiel folge. In Wirklichkeit jedoch würden die ungarischen Maßnahmen den österreichischen hinterherhinken.

László Néző findet es empörend, dass der sozialpolitische Ausschuss des Parlaments von dem MSZP-Abgeordneten Lajos Korózs geleitet werde, der im Juni an der Herstellung eines gefälschten Videos beteiligt gewesen sei. (In dem Video wurde behauptet, dass die meisten derjenigen Patienten gestorben seien, die nach der regierungsamtlichen Aufforderung an die Krankenhäuser, sie sollten Platz für Coronavirus-Infizierte schaffen, nach Hause geschickt worden waren – siehe BudaPost vom 11. Juni, Anm. d. Red.) Der Kolumnist der Tageszeitung Magyar Nemzet räumt ein, dass die Oppositionsparteien in der vergangenen Woche der Verhängung des Ausnahmezustands zugestimmt hätten. Dennoch vertritt Néző die Ansicht, dass die Opposition eher Fake News verbreiten wolle, als die Regierung bei der Eindämmung des Coronavirus zu unterstützen.

Zsuzsa Sándor pflichtet der Opposition bei und wirft der Regierung ein unverantwortliches Verhalten vor, das das Leben der Ungarn in Gefahr bringe. Auf 24.hu bezeichnet die linke Anwältin und ehemalige Richterin die jüngsten restriktiven Maßnahmen des Kabinetts als verspätet und unprofessionell. Wollte die Regierung das Leben der Ungarn tatsächlich schützen, wäre dies auch ohne die Verhängung des Ausnahmezustands möglich, behauptet Sándor. Ihrer Meinung nach missbraucht die Regierung den unter dem Vorwand des Kampfes gegen die Coronavirus-Pandemie erlassenen Ausnahmezustand zum erneuten Umschreiben der Verfassung (siehe BudaPost vom 13. November) sowie zum Herrschen per Dekret.
Die Juristin versteigt sich gar zu dem Vorwurf an die Adresse der Regierung, sie experimentiere „mit Menschen, um herauszufinden, wie schnell das Coronavirus uns tötet“. Ungarn, die die Politik der Regierung billigen würden, „marschieren wortlos in den Tod“, so Sándor, die mit der Frage schließt, wie viele Ungarn, „die das Coronavirus bekommen oder deren Angehörige infolge der unverantwortlichen Maßnahmen der Regierung daran sterben“, ihre Fälle wohl vor Gericht bringen würden.

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