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Wortgefechte über das Coronavirus und die Impfkampagne

11. Jan. 2021

Während die Bereitschaft der Ungarn, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen, allmählich zunimmt, machen sich Vertreter der Rechten und Linken gegenseitig für das hierzulande herrschende geringe Impfvertrauen verantwortlich.

Bislang haben sich nur etwa eine Million Ungarn für eine Impfung gegen das Coronavirus angemeldet. Immerhin hat laut einer Meinungsumfrage der Eifer der Ungarn, sich impfen zu lassen, mittlerweile leicht zugenommen. Ein Drittel der Bevölkerung will allerdings noch immer nicht mitmachen, und nur etwas mehr als die Hälfte der Ungarn hat ihre Bereitschaft zur Schutzimpfung erklärt.

In einem Beitrag für Élet és Irodalom wirft Iván Váncsa der Regierung vor, fälschlicherweise zu behaupten, Ungarn habe das Coronavirus erfolgreich eingedämmt. Vielmehr liege die Zahl der Todesfälle pro eine Million Einwohner in Ungarn höher als in Österreich, Serbien, der Ukraine und der Slowakei – und weit über dem westeuropäischen Durchschnitt. Angesichts dieser Daten bezeichnet Váncsa es als empörend, dass die Regierung nicht mehr Finanzmittel für das Gesundheitssystem bereitstelle.

Wenn wir die Zahlen der durch das Coronavirus verursachten Todesfälle auf internationaler Ebene einander gegenüberstellten, so verglichen wir Äpfel mit Birnen, macht Zsolt Sütő-Nagy in der Tageszeitung Magyar Hírlap geltend. Der regierungsnahe Kommentator merkt an, dass verschiedene Länder unterschiedliche Methoden verwenden würden und daher nationale Statistiken nicht einfach zu vergleichen seien. Da die ungarischen Todesraten sehr nahe an denen der USA lägen, schneide Ungarn besser ab als der europäische Durchschnitt. Gegenteilige Behauptungen seitens der Oppositionsparteien seien Fake News, behauptet Sütő-Nagy.

In Magyar Nemzet verurteilt Ottó Gajdics den ehemaligen LMP- und jetzigen unabhängigen Abgeordneten Ákos Hadházy für die Veröffentlichung eines Videos, das die mit Särgen vollgepackte Leichenhalle der Stadt Szentendre zeigt. (Laut Hadházy belegt das Video, dass viel mehr Menschen an dem Coronavirus sterben, als die offiziellen Statistiken vermuten lassen. Darüber hinaus behauptet der Oppositionspolitiker, dass infizierte Menschen zu Hause bleiben, weil die Krankenhäuser voll seien – Anm. d. Red.) Gajdics hält die Veröffentlichung des Videos für nicht hinnehmbar und unmenschlich. Der regierungsfreundliche Kommentator fügt hinzu, dass Szentendre von einem oppositionellen Bürgermeister geführt werde, daher könne die Regierung nicht für die Verwaltung der Leichenhalle verantwortlich gemacht werden.

Dávid Megyeri, ebenfalls von Magyar Nemzet, beschuldigt die Opposition, den Impfprozess durch Panikmache zu verlangsamen. Der regierungsnahe Kommentator weist die Behauptung der Opposition, der zufolge die Regierung über keinen klaren Impffahrplan verfüge, als absurd zurück. Megyeri erinnert an eine Interviewäußerung des liberalen Analysten Péter Krekó: „Wenn man die Impfbereitschaft der Menschen untergräbt, kann [Orbán] die politischen Konsequenzen tragen.“ Megyeri interpretiert diese in Politico veröffentlichte Aussage dahingehend, dass die Oppositionsparteien die Pandemie in der Hoffnung verschlimmern wollten, dass sich umso mehr Wähler von der Regierungspartei abwenden würden, je höher die Zahl der Todesopfer sei und je schlimmer die Wirtschaftskrise ausfalle.

Magyar Narancs weist in einem Leitartikel auf der ersten Seite die These zurück, dass die Opposition bzw. Péter Krekó den Erfolg der Impfkampagne untergraben wollten. Die Behauptung, Péter Krekó oder andere Analysten wollten die Wählerbasis der Opposition stärken, indem sie die Menschen von der Impfung abschrecken würden, weist das liberale Wochenmagazin als „reine Regierungspropaganda“ zurück. Krekó und andere Analysten wollten darauf hinweisen, dass die Regierung das Misstrauen der Ungarn genährt habe und sie damit für die hohe Zahl an Impfverweigerern in Ungarn verantwortlich sei.

Die Impfregistrierungsaktion der Regierung sei höchst problematisch, notiert Zsuzsa Mizsei in der Tageszeitung Népszava. Die linke Kommentatorin argwöhnt, dass die bei der Anmeldung angegebenen persönlichen Daten später „von der Propagandamaschine der Regierung“ missbraucht würden. Obwohl Mizsei selbst sich so schnell wie möglich impfen lassen möchte, habe sie sich wegen ihrer Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre entschieden, den entsprechenden Antrag noch nicht einzureichen.

Auf Azonnali spricht sich der ehemalige MSZP-Abgeordnete und Ex-Europarlamentarier Gyula Hegyi für eine einmütige Unterstützung der Schutzimpfung seitens der Linken aus. Der mittlerweile wieder als Journalist tätige Autor schlägt sogar eine Impfpflicht vor. Hegyi meint, die Linke sollte die Rationalität verteidigen und sich von irrationalen Ängsten vor Impfstoffen distanzieren. Darüber hinaus sollte sie die Gemeinschaft und nicht das Individuum in den Vordergrund rücken und eine Impfpflicht im Namen des kollektiven Interesses einfordern.

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