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Kontroverse Ansichten zum Thema Kulturkampf

5. Feb. 2021

Ein alt-linke Historikerin wirft den Eliten einen Verrat der Arbeiterklasse vor, indem sie sich bei marktorientierten bürgerlichen Ideologien bedienen und deren Liberalismus und Nationalismus übernehmen würden. Ein regierungsfreundlicher Autor begrüßt die Bemühungen der Regierung, die kulturelle und intellektuelle Vorherrschaft linksliberaler Eliten zu brechen.

In einem Beitrag für das Internetportal Mérce wirft die Historikerin Eszter Bartha der Linken vor, sie hänge fortschrittliche, auf das Wohlergehen von Arbeiten und Unterprivilegierten abzielende Ideen an den Nagel. Nach Ansicht der Autorin haben nach dem Ende des Kommunismus die sozialdemokratischen Ideale ihre Anziehungskraft eingebüßt. Seitdem „wollen die Eliten den Unterschichten ihre eigene Weltanschauung aufzwingen und sie ihres eigenen kollektiven Klassenbewusstseins berauben“. Bartha versteigt sich gar zu der Behauptung, „dass das geistige und kulturelle Leben unter Kádár vielfältiger und besser“ gewesen sei als heute.
Sowohl liberale als auch konservative nationalistische Eliten wollten die Kultur dominieren, um ihre wirtschaftlichen Privilegien bewahren zu können. In den 1990er Jahren seien liberale markt- und EU-orientierte Ideen populärer gewesen. Seit 2010 jedoch habe das Gegen-Narrativ des Fidesz von der Schaffung einer starken national gesinnten Bourgeoisie an Dynamik zugelegt.
Bartha glaubt, dass die Regierung die volle Kontrolle über Medien, Universitäten und die Ungarische Akademie der Wissenschaften ausüben wolle, um ihre ideologische Hegemonie zu festigen. Es sei traurig, dass die „nicht organisierten Arbeiter“ des Fidesz liberale und christlich-nationalistische Ideen verinnerlicht, antikapitalistisches kritisches Denken aufgegeben und „den jahrhundertelangen Kampf der Arbeiterbewegung für universelle soziale Emanzipation verraten“ hätten.

In Magyar Nemzet bezeichnet Miklós Szánthó die Kulturpolitik der Regierung für gerechtfertigt. Der Chef der regierungsnahen Denkfabrik Zentrum für Grundrechte weist kritische Stimmen zurück, wonach die Regierung im Kulturkampf zu aggressiv agiere. Was die Regierung wolle, sei die Vollendung der Wende-Mission der Jahre 1989/90 sowie die „Beseitigung des postkommunistischen Status quo“, der von der spätkommunistischen Elite geschaffen worden sei, um ihre Machtpositionen auch über den Fall des Kommunismus hinaus aufrechtzuerhalten.
Laut Szánthó haben die ehemaligen Kommunisten ihr politisches Kapital in kulturelles und wirtschaftliches Kapital verwandeln wollten, um ihren privilegierten Status nach 1990 zu festigen. Um dies zu erreichen, klammerten sie sich an ihre Vormachtstellung in den Medien und im kulturellen Leben, was es ihnen ermöglichte habe, die öffentliche Stimmung und den Geschmack unter ihrer Kontrolle zu halten, meint Szánthó und schlussfolgert: Mit dem Kampf gegen die hegemonialen linksliberalen Institutionen wolle die Regierung die ungerechte und monolithische geistige Macht der Linksliberalen brechen und den von den Sozialisten gestohlenen „Regimewechsel“ vollenden.

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