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Kriegsberichte von der Kulturfront

22. Feb. 2021

Für einen regierungsnahen Kommentator ist es gerechtfertigt, dass sich die Regierung die nationale Souveränität vom „postkommunistischen Staat im Staate“ (dem sogenannten „Tiefen Staat“) zurückgeholt hat. Zwei liberale Analysten hingegen werfen dem Kabinett Orbán vor, das demokratische Regieren auszumerzen und stattdessen eine rechtsextreme autoritäre Regierungsform zu installieren.

Bálint Botond von Magyar Nemzet erklärt die jüngsten wirtschaftlichen und demografischen Erfolge Ungarns mit den Bemühungen der Orbán-Regierung, die nationale Souveränität vom postkommunistischen „Staat im Staate“ zurückzuerobern. Der regierungsfreundliche Soziologe ist der Meinung, dass nach 1990 sowohl die ungarische Wirtschaft als auch das kulturelle Leben sowie die wichtigsten Institutionen (darunter Bildung, Medien, Gerichte und Polizei) von Postkommunisten und Liberalen dominiert worden seien. Sie wären fremden Interessen und Ideologien gefolgt und hätten ihre privaten Interessen über das der Nation gesetzt, unterstellt Botond, der sich sogar zu der Behauptung versteigt, dass kommunistische Führer wie Generalsekretär János Kádár und Kulturzar György Aczél patriotischer gewesen seien als die linksliberalen Eliten nach 1990. Dass sich die demokratisch gewählte nationale Regierung die Souveränität vom postkommunistischen Staat im Staate zurückerobert habe, ist für Botond gerechtfertigt, habe dieser doch „Ungarn an der Verwirklichung seiner nationalen Ziele gehindert“.

In einem Beitrag für die Wochenzeitung Élet és Irodalom beschuldigen Andor Gellért und György Zdeborsky (Letzterer vor der Wende Vizepräsident der Nationalbank und danach CEO verschiedener Geschäftsbanken) die Regierung, sie habe der Demokratie ihrer Wurzeln beraubt und eine rechtsextreme autokratische Herrschaft eingeführt. Die liberalen Ökonomen sind der Auffassung, dass der Fidesz seit 2010 das ungarische Rechts- und Institutionensystem in Übereinstimmung mit ihren eigenen ideologischen Ansichten und politischen Interessen komplett umgekrempelt habe. Mittlerweile funktioniere das ungarische Verfassungssystem nicht mehr als Demokratie, sondern als „nationalistisches, radikal rechtsextremes“ System, behaupten Gellért und Zdeborsky. Die Parlamentswahlen 2022 seien daher kein Kampf zwischen Links und Rechts, sondern zwischen „Demokratie auf der einen und radikalem Autoritarismus auf der anderen Seite“. Die beiden Autoren glauben, dass die Oppositionsparteien zwecks Umkehr dieser Tendenzen mit NGOs zusammenarbeiten und eine neue Verfassung ausarbeiten sollten.

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