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Die Zukunft des Fidesz außerhalb der Volkspartei im Spiegel der Wochenpresse

15. Mar. 2021

Auch wenn der Fidesz bislang lediglich die EVP-Fraktion im Europaparlament verlassen hat, halten es die ungarischen Wochenzeitungen für ausgemacht, dass er auch der christdemokratischen Parteienfamilie insgesamt den Rücken kehren werde. Die Kommentatorinnen und Kommentatoren fragen sich daher: Wie geht es nun weiter?

Dániel Hegedűs, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim German Marshall Fund, erwartet keine unmittelbaren negativen Konsequenzen für die ungarische Regierung, nachdem sich ihre führende Kraft nunmehr in offenem Widerspruch zu ihren früheren westlichen Partnern befindet. Jedoch geht er davon aus, dass sich zur Zeit um den Fidesz herum ein ungünstiges europapolitisches Umfeld formiere. Ungarn sei von der Europäischen Kommission nachsichtiger behandelt worden als Polen, erklärt Hegedűs in Magyar Narancs, denn es habe den Schutz der Europäischen Volkspartei (EVP) genossen. Die polnische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hingegen gehöre politisch einem anderen internationalen Parteienbündnis an. Die Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die ungarische Regierung würden nach dem Bruch zwischen dem Fidesz und der EVP nun unnachgiebiger geführt, glaubt Hegedűs.

In 168 – vormals 168 Óra – sagt der Verfassungsrechtler Richárd Szentpéteri Nagy voraus, dass sich der Fidesz nicht lange im politischen Niemandsland aufhalten werde. Nagy beschreibt die politische Entwicklungskurve des Fidesz als eine Bewegung vom Linksliberalismus hin zum rechtsextremen Nationalismus. Er sieht die zukünftige politische Heimat der ungarischen Regierungspartei daher unter den Rechtsradikalen. Als Beweis führt er einen Brief des Fidesz-Vorsitzenden (Ministerpräsident Viktor Orbán – Anm. d. Red.) an seine laut Nagy „neofaschistische Bruderpartei“ in Italien an, in dem er fröhlich die gemeinsamen Zukunft beider Parteien im Jahr 2021 feiere.

Ministerpräsident Viktor Orbán werde es schwer haben, einen neuen populistischen Zusammenschluss innerhalb des Europaparlaments zu schaffen, denn die potentiellen Mitglieder stünden sich oft feindselig gegenüber. Das zumindest glaubt Márton Gergely. In einem Beitrag für Heti Világgazdaság verweist er auf die Beispiele Matteo Salvini und Giorgia Meloni. Beide seien Partner Orbáns – in Italien jedoch Konkurrenten und gehörten demnach im Europaparlament unterschiedlichen Gruppierungen an. Hinzu käme, dass Orbán in einer möglichen neuen Allianz lediglich über zwölf Europaabgeordnete verfügen würde, während es 24 bei der polnischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und sogar 27 bei Matteo Salvinis Lega Nord wären. Auch wäre es für den ungarischen Regierungschef laut Gergely riskant, sich mit der deutschen AfD zusammenzutun, denn das würde die in Berlin regierenden Christdemokraten weiter entfremden und die deutsch-ungarischen Beziehungen belasten.

Im Wochenmagazin Demokrata formuliert Orsolya Kurucz eine divergierende Sicht der Dinge. Nach Einschätzung der leitenden Mitarbeiterin bei der regierungsnahen Denkfabrik Alapjogokért Központ (Zentrum für Grundrechte) musste der Fidesz die EVP verlassen, da sich die Europäische Volkspartei langsam aber sicher von ihren Gründungsprinzipien entfernt habe. (Kurucz betrachtet den Austritt aus der Parteienfamilie bereits als vollendete Tatsache. Dabei hat der Fidesz, wie erwähnt, bisher lediglich ihre Europaparlamentsfraktion verlassen – Anm. d. Red.) Beispielsweise habe die EVP mittlerweile Bezüge zum Christentum als die Grundlage ihrer Politik aus all ihren Dokumenten entfernt, erklärt Kurucz. Es sei schwer, einen einzigen Wert zu finden, der den Gründervätern der europäischen Christdemokratie am Herzen gelegen habe und den die heutige Volkspartei in der europäischen Politik kämpferisch verteidigen würde, betont sie.

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