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Wochenpresse zum möglichen Ausgang der Parlamentswahl 2022

8. Nov. 2021

Wochenzeitungen und -magazine befassen sich mit den Aussichten der Oppositionsparteien bei den in knapp einem halben Jahr stattfindenden ungarischen Parlamentswahlen – vor allem aber mit dem bis dahin zu erwartenden Wahlkampf. Dabei äußern sich oppositionsnahe Stimmen mit Blick auf das eigene Lager sowohl optimistisch als auch zurückhaltend und sogar kritisch. Ein Kolumnist der Gegenseite wiederum warnt vor einer Hexenjagd nach einer möglichen Regierungsübernahme durch die Opposition.

Im Vorfeld des für April nächsten Jahres anberaumten landesweiten Urnengangs sagen die politischen Analysten Péter Krekó und Bálint Ruff auf Jelen einen harten Wahlkampf voraus. Es sei befremdlich, so Krekó, dass eine im Grunde erfolgreiche Regierungspartei ihren Wahlkampf auf negative Botschaften stützen sollte. Doch genau dies erwartet er vom Fidesz. Ruff vertritt im gemeinsam mit Krekó geführten Videogespräch die Ansicht, dass der Fidesz noch immer sein Publikum teste und das eine entscheidende Motto suche, das sich bei der Mobilisierung seiner Wählerschaft als am wirksamsten erweisen werde. Unterdessen prognostiziert Ruff zudem, dass die Sozialausgaben steigen dürften, denn die Regierung wisse, dass die Menschen selten gegen ihre materiellen Interessen stimmen würden.

In Heti Világgazdaság zählt Árpád W. Tóta eine Reihe von beispielhaften Sozialausgaben auf, darunter die forcierte Wiedereinführung der 13. Monatsrente oder die volle Steuerrückerstattung für unter 25-Jährige. Das seien eindeutig wahltaktisch motivierte Maßnahmen – und das in einem hoch verschuldeten Land. Unabhängig vom Wahlausgang werde das Land im nächsten Sommer in großen Schwierigkeiten stecken, notiert Tóta. Der Unterschied bestehe lediglich darin, dass sich die eine Seite – die heutige Opposition – dem werde stellen müssen und dabei von wohlmeinenden internationalen Verbündeten umgeben sein dürfte. Die andere Seite hingegen – die heutige Regierung – werde „arm und auf sich allein gestellt“ dastehen.

Magyar Narancs warnt vor übertriebenem Enthusiasmus auf Seiten der Opposition. In ihrem Wochenleitartikel schließt das linksliberale Magazin einen Sieg der Opposition zwar nicht aus, hält ihn aber für unwahrscheinlich. Die Redaktion warnt, dass eine solche Niederlage innerhalb der Opposition Frustration und Verzicht auslösen werde, und rät den Gegnern der amtierenden Regierung, „nicht alles auf eine Karte zu setzen“, da das Leben sogar im Falle eines Fidesz-Sieges nicht am Tag nach der Wahl vorbei sein werde.

In Magyar Hang hingegen äußert sich der politische Analyst Attila Tibor Nagy zuversichtlich: Die Opposition habe eine gute Chance, die amtierende Regierung abzuwählen. Die Unzufriedenheit nehme zu, betont der Autor und rät der Opposition, sie möge versuchen, die Millionen von Menschen zu mobilisieren, die eine Corona-Impfung abgelehnt hätten, denn sie würden offenkundig einen Groll gegen die Regierung hegen. Ein paar hunderttausend zusätzliche Stimmen könnten sich als entscheidend für den Ausgang der Wahl erweisen, glaubt Nagy.

In ihrem üblichen redaktionellen Leitartikel auf der ersten Seite echauffiert sich 168 Óra über den neu gewählten oppositionellen Spitzenkandidaten, weil dieser die „Partei des doppelschwänzigen Hundes“ (Magyar Kétfarkú Kutya Párt )attackiert hatte. (Die Satirepartei legt sich sowohl mit der Regierung als auch mit der Opposition an – Anm. d. Red.)
Nach der Zurückweisung seines Angebots, der Partei Sitze im Parlament zu sichern, erklärte Péter Márki-Zay, sie könnte durchaus die Ursache für eine Niederlage der Opposition im nächsten April sein. 168 Óra rät dem Kandidaten der Opposition für das Amt des Ministerpräsidenten, er möge doch den Fidesz und nicht die kleine „Hundepartei“ bekämpfen und den Menschen erklären, warum sie die Opposition wählen sollten, anstatt nach einem Sündenbock Ausschau zu halten, um sein mögliches Scheitern zu erklären. Die linke Wochenzeitung fühlt sich angesichts von „gewissen Leuten, die in der Politik als große Zampanos gelten“, frustriert.

In einem Beitrag für Mandiner bezeichnet es András Lánczi als besorgniserregend, dass sämtliche wichtigen Vertreter der Opposition damit gedroht hätten, im Falle einer Niederlage der amtierenden Regierung „deren führende Köpfe zur Rechenschaft zu ziehen“. Selbst zu Zeiten der Wende vor 31 Jahren sei eine derartige Abrechnung nie vorgeschlagen worden, erinnert der regierungsnahe Philosoph. Außerdem hätten die Kommunisten in der Demokratie um die Macht kämpfen dürfen. Laut Lánczi hatte es einen einfachen Grund dafür gegeben, warum die Wende-Kräfte die Vertreter des alten Regimes nicht hätten vernichten wollten: Niemand habe einen Bürgerkrieg gewollt.

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