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Wochenzeitungen über Macron, Márki-Zay und das Verfassungsgericht

20. Dec. 2021

In ihren jüngsten Ausgaben konzentrieren sich die Wochenzeitungen auf Weihnachten, wobei sich die regierungsnahen Blätter einer Analyse der politischen Ereignisse der zurückliegenden Woche enthalten. Linke Publikationen hingegen haben Platz für sie gefunden.

In seiner in Magyar Hang erschienenen Kolumne über die Ungarn-Visite von Emmanuel Macron äußert Gábor Stier die Vermutung, dass der französische Präsident hierher gekommen sei, um eine möglichst umfassende internationale Koalition zu schmieden. Diese solle dazu dienen, so der außenpolitische Analyst, nach dem Abgang von Angela Merkel seinen eigenen Anspruch auf die Position als europäische Nummer eins zu untermauern. Macrons Hauptziel sei es gewesen, die Gruppe der vier Visegrád-Staaten (V4) für dieses Vorhaben zu gewinnen. Deshalb habe er im Verhältnis zu den Regierungen in Ungarn und Polen umstrittene Prinzipien wie Rechtsstaatlichkeit lediglich als Lippenbekenntnis vorgetragen.
Ein weiterer Streitpunkt sei die Zukunft Europas: Macron befürworte eine föderal strukturierte Europäische Union, der ungarische Ministerpräsident wiederum ein „Europa der Nationen“, notiert Stier und ergänzt: Andererseits dränge Budapest auch auf eine stärkere europäische Souveränität im Bereich der Verteidigung, was sich mit der Politik Frankreichs decken würde, da das Land sowohl Atommacht als auch ein großer Waffenproduzent sei.
Stier glaubt nicht, dass Ungarn oder die V4 insgesamt die wichtigsten Verbündeten Macrons in seinem Projekt seien. So habe er beispielsweise kürzlich mit Italien einen Pakt über die bilaterale Kooperation sowie die Zukunft Europas geschlossen. Der Analyst ist sicher, dass sich der Motor der europäischen Integration auch künftig um die Achse Paris-Berlin drehen werde. Falls dabei Frankreich jedoch eine vorherrschende Rolle spielen wolle, benötige Paris alle möglichen Verbündeten, ist sich Stier sicher.

Attila Buják äußert im Wochenmagazin 168 Óra starke Bedenken hinsichtlich der Haltung der Demokratischen Koalition (DK) gegenüber dem kürzlich gewählten gemeinsamen Kandidaten der Opposition für das Amt des Ministerpräsidenten. Der ursprüngliche Plan der stärksten Oppositionspartei mit Blick auf die Vorwahlen vom vergangenen Herbst habe demnach darin bestanden, den Budapester Oberbürgermeister Gergely Karácsony zum Spitzenkandidaten zu küren, wobei die DK der mächtigste politische Faktor hinter ihm hätte sein sollen, so Buják. Es erwecke den Anschein, als ob die Oppositionswählerschaft rebelliert und mit Péter Márki-Zay einen totalen Außenseiter zum Spitzenkandidaten gewählt habe. Mehr noch, Márki-Zay wolle offensichtlich eine echte Führungspersönlichkeit sein und habe nicht die Absicht, lediglich die Wünsche der traditionellen linken Parteien zu erfüllen.
Laut Buják werden seine Bemühungen von DK-Chef Ferenc Gyurcsány faktisch sabotiert. Tatsächlich zitiert der Autor eine näher nicht bezeichnete altgediente Persönlichkeit der Linken mit der Aussage, Gyurcsány sei beleidigt gewesen. Und als der Ex-Ministerpräsident Márki-Zay „Kapitän“ genannt und sich dessen Wunsch tatsächlich gebeugt habe, nicht in den Wahlkampf zu ziehen, habe er wohl bei sich gedacht: „Schauen wir doch mal, was er allein auf sich gestellt erreichen kann.“ Márki-Zay, so befürchtet Buják, wäre ein perfekter Sündenbock, falls die Opposition die Wahlen im April verlieren sollte.

In Jelen interpretiert Ákos Tóth das jüngste Urteil des ungarischen Verfassungsgerichts zu europäischen Fragen als eine teilweise Niederlage der Regierung. Justizministerin Judit Varga hätte wohl erwartet, dass das Gericht ein ähnliches Urteil wie das der polnischen Verfassungsrichter vom Herbst dieses Jahres fällen würde. Das Warschauer Verdikt habe den Vorrang von europäischem vor nationalem Recht verneint, während das ungarische Urteil diesbezüglich nicht mitgegangen sei, so die Lesart des Kommentators.
(In Reaktion auf den Antrag der ungarischen Regierung, ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu überprüfen, hatte das Verfassungsgericht es abgelehnt, EuGH-Entscheidungen außer Kraft zu setzen. Das Spruch des EuGH lautete: Ungarn sollte Asylbewerbern die Einreise gestatten und ihnen die Beantragung von Asyl ermöglichen. Jedoch schränkten die ungarischen Verfassungsrichter auch ein, dass die hiesigen Behörden in Fällen, in denen die Union ein Problem nicht zu lösen vermag, das Recht hätten, einzuschreiten und die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen – Anm. d. Red.)
Tóth weist im Folgenden eine Stellungnahme Vargas zurück. (Die Ministerin hatte erklärt, das Urteil bestätige den Beschluss der ungarischen Regierung, wonach sämtliche Asylanträge über die ungarischen Konsulate im Ausland gestellt werden sollten – Anm. d. Red.) Laut Tóth bedeutet die vom Verfassungsgericht verwendete Formulierung, dass Ungarn ihnen nur im Falle eines massiven Zustroms von Migranten die Einreichung ihrer Anträge auf ungarischem Staatsgebiet verweigern könne.

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