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Orbáns Besuch in Moskau

3. Feb. 2022

Ein regierungsfreundlicher Kommentator vertritt die Auffassung, dass es Ministerpräsident Orbán gelungen sei, wichtige wirtschaftliche Vereinbarungen mit Präsident Putin zu treffen. Nach Ansicht eines liberalen Kommentators hingegen hat Präsident Putin den Besuch des ungarischen Regierungschefs zu Propagandazwecken genutzt.

Bei ihrem fünfstündigen Treffen am Dienstag haben Regierungschef Viktor Orbán und Präsident Wladimir Putin die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Russland und Ungarn erörtert. Unter anderem vereinbarten sie, dass Russland die Erdgaslieferungen nach Ungarn um eine Milliarde Kubikmeter pro Jahr erhöhen werde. Putin wies darauf hin, dass Ungarn russisches Gas europaweit zu den niedrigsten Preisen erwirbt. Beide Staatsmänner sprachen auch über die Ukraine-Krise. Ministerpräsident Orbán erklärte in diesem Zusammenhang, dass kein europäischer Staatschef einen Krieg mit Russland wünsche und fügte hinzu, dass Ungarn als Mitglied der EU und der NATO gute Beziehungen zu Moskau pflegen wolle. Auf derselben Pressekonferenz beschuldigte Präsident Putin – in seinen ersten öffentlichen Äußerungen zur Ukraine-Krise seit mehreren Wochen – den Westen, mit der Aufnahme ehemaliger Warschauer Pakt-Staaten in die NATO verstoße er gegen eine mit Moskau getroffene Vereinbarung.

László Szőcs von Magyar Nemzet bezeichnet das Treffen als eine „diplomatische Bravourleistung“. Der regierungsnahe Kolumnist ist der Meinung, dass Präsident Putin und sein ungarischer Gast trotz der angespannten Beziehungen Moskaus zur EU und zur NATO Abkommen ausgehandelt hätten, die für beide Länder von Vorteil seien. Dazu gehörten Gaslieferungen, der Bau einer Sputnik-Impfstofffabrik in Ungarn, die Möglichkeit von zusätzlichen Direktflügen zwischen den beiden Hauptstädten sowie die Beschleunigung des Atomkraftwerkprojekts Paks II. Solche Wirtschaftsgeschäfte dienten den Interessen Ungarns und seien rein geschäftlicher Natur, nicht jedoch Teil größerer geopolitischer Vereinbarungen, auf die Ungarn als kleines Land ohnehin keinen Einfluss habe, betont Szőcs.

Putin habe Ministerpräsident Orbán für seine Zwecke eingespannt, ohne ihm eine sinnvolle Gegenleistung anzubieten, befindet dagegen Gábor Kovács. In einem Beitrag für Heti Világgazdaság spielt der liberale Kommentator die Bedeutung der angekündigten Handelsabkommen herunter. Einige seien ohnehin schon vereinbart gewesen, der Rest bestünde lediglich aus vagen Versprechungen ohne konkrete Einzelheiten. In Bezug auf das Erdgasabkommen merkt Kovács an, dass sich die Marktpreise künftig ändern würden. Damit könne man nicht davon ausgehen, dass Ungarn auf lange Sicht gesehen ein gutes Geschäft gemacht habe. Kovács glaubt auch, dass Präsident Putin die Unterstützung Orbáns nutzen werde, um sein Image in Russland über die staatlichen Medien zu stärken. Die wichtigste Botschaft des Treffens war seiner Meinung nach die Aussage Putins, dass die osteuropäischen Länder nicht der NATO angehören sollten. Dies gelte nicht zuletzt für Ungarn, auch wenn der erste Mann im Kreml das Land nicht namentlich erwähnt habe, so Kovács abschließend.

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