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Wochenpresse zum Ukraine-Krieg

28. Feb. 2022

Wochenzeitungen und -magazine waren bereits gedruckt, als die russische Armee in den frühen Morgenstunden des Donnerstags die Ukraine überfiel. Immerhin gab es aber bereits Kommentare zur seinerzeit lediglich drohenden Gefahr, dass russische Truppen zumindest in einen Teil der Ukraine einmarschieren könnten.

Heti Világgazdaság veröffentlichte ihren Wochenleitartikel unter der Überschrift „Kriegsschützer“ und paraphrasiert damit die erste offizielle Ankündigung, wonach Russland Friedensschützer in die Ostukraine entsenden werde. Autor Márton Gergely warnt, Präsident Putin habe die Angewohnheit, seine Pläne schrittweise zu verwirklichen, um die Reaktion seiner Gegner zu prüfen und ihr Engagement zu testen. Die Besetzung der abtrünnigen ostukrainischen Gebiete sei nur eine Phase seiner Strategie, so Gergely.

Russland werde die gesamte Ukraine besetzen, schwant den Leitartiklern des Nachrichtenmagazins Magyar Narancs nichts Gutes. Die Redakteure ziehen aus den ersten Vorfällen die Schlussfolgerung, dass hinter den Mauern des Kremls keine „Partei des Friedens“ stehe. Es gebe eine Parallele zu den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien in den 1990er Jahren, als die herrschenden serbischen Politiker Kroaten, Bosnier und Kosovaren angesichts ihrer Unabhängigkeitsbestrebungen als Verräter betrachtet hätten. In gleicher Weise betrachte Putin die Ukraine als zu Russland gehörig. In ihrer Schlussbemerkung fragen die Autoren, wer wohl das nächste Opfer sein werde, wenn die Ukraine erst einmal unter russische Herrschaft gefallen sei.

„Das ist ein großer Bissen für den Bären“, lautet die Schlagzeile von 168 Óra. In seiner folgenden Analyse hält es Ágoston Ámosi für unwahrscheinlich, dass Russland eine Großoffensive beginnen werde. Allerdings räumt er ein, dass das russische Militär zu schnellen Vorstößen fähig sei. Jedoch lasse sich nichts über die Intensität des zu erwartenden Widerstands aussagen. Andererseits würde ein langwieriger Krieg die russische Seite vor logistische Probleme stellen, da sie ihre Truppen nicht mit der erforderlichen Munition, Ersatzteilen, Lebensmitteln und Medikamenten versorgen könnte, ohne auf zivile Fahrzeuge zurückzugreifen. Das könnte sich für die Regierung als politisch katastrophal erweisen.

In Élet és Irodalom wettert János Széky gegen die Anhänger der ungarischen Regierung, die seiner Ansicht zufolge von einer Rückeroberung Transkarpatiens von der Ukraine träumen würden. Der Kolumnist beruft sich auf Erinnerungen des ehemaligen polnischen Außenministers Radosław Sikorski, wonach Präsident Putin dem damaligen polnischen Ministerpräsidenten Tusk 2008 angeboten habe, die Ukraine zwischen ihren beiden Ländern aufzuteilen. „Es existieren keine Beweise, dass anderen Nachbarländern der Ukraine ähnliche Angebote gemacht wurden“, fügt Széky hinzu. Erste Stellungnahmen von Ministerpräsident Orbán bezüglich seiner Unterstützung von Sanktionen gegen Russland bezeichnet er als nicht entschieden genug. Orbán sei für die russlandfreundliche Stimmung verantwortlich, die Széky in den ersten Tagen des Konflikts in regierungsnahen sozialen Medien wahrgenommen habe.

In Demokrata, einem der ersten in Druck gehenden Wochenmagazine, sagt Gábor Stier voraus, dass in der Ukraine kein Krieg ausbrechen werde. Dessen ungeachtet empfindet er das Fehlen intensiver diplomatischer Aktivitäten besorgniserregend – und macht dafür die ukrainische Seite verantwortlich. Präsident Selenskyj seien die Hände gebunden, weshalb er es sich nicht leisten könne, den autonomen Status der abtrünnigen Republiken im Osten der Ukraine anzuerkennen. Es werde aber zu „hässlichen“ Ereignissen kommen, die, so Stier, Symptome einer Verschiebung des globalen Kräfteverhältnisses seien, die von den Entscheidungsträgern Nüchternheit und Kaltblütigkeit erfordern würden.

Die Ungarn reichten der Ukraine in ihrer Not die Hand, beobachtet Gábor Névai und erinnert in Mandiner daran, dass die magyarische Minderheit sowohl unter der Sowjetherrschaft nach dem Zweiten Weltkrieg als auch in der unabhängigen Ukraine in den letzten 30 Jahren an Einfluss verloren habe und derzeit nur noch ein Zehntel der Bevölkerung im Karpaten-Vorland ausmache. Jetzt sollte jedoch der Frieden für die Generationen wiederhergestellt werden, die jahrzehntelang geglaubt hätten, dass ein Krieg in Europa unmöglich sei, fordert Névai.

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