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Wochenpresse zum Ukraine-Krieg

14. Mar. 2022

Zwei regierungsnahe Publikationen befassen sich in ihren Wochenleitartikeln mit der selbstlosen Hilfe der Ungarn für die ukrainischen Flüchtlinge. Oppositionelle Blätter hingegen werfen der Regierung vor, noch immer nicht entschieden genug gegen Russland vorzugehen. Darüber hinaus denken sie über die Auswirkungen des Krieges auf die in drei Wochen stattfindenden Parlamentswahlen nach.

In Mandiner äußert Gergely Vágvölgyi die Hoffnung, dass bis zum 15. März, wenn Ungarn feierlich den Jahrestag der Revolution von 1848 begeht, der Frieden in Europa wiederhergestellt sein werde. Zwischenzeitlich bringt er seine tiefe Besorgnis über die Notlage der 150.000 Menschen zählenden magyarischen Minderheit in der Ukraine zum Ausdruck und lobt zugleich die Ungarinnen und Ungarn: Sie öffneten „ihre Arme und Herzen“ für aus dem umkämpften Nachbarland fliehende Menschen – und zwar unabhängig von ihrer Nationalität. Vágvölgyi zählt im Folgenden alle möglichen Kategorien von uneigennützigen Helfern auf, darunter Wohltätigkeitsorganisationen, kleine Kommunen sowie einzelne Bürger und Behörden, die zur Bewältigung der anhaltenden humanitären Krise beitrügen.

Die Ungarn sollten bitte den Ukrainern nicht die Ungerechtigkeiten vorwerfen, die die magyarische Minderheit in ihrem Land erlitten habe, denn der Nachbar befinde sich jetzt in einer schwierigen Lage, mahnt András Bencsik vom Wochenmagazin Demokrata. Die Ungarn, so schreibt er, müssten ihnen helfen und täten dies auch, unabhängig davon, ob sich die Beziehungen zwischen den beiden Nachbarvölkern dadurch verbessern würden. Zudem sollten seine Landsleuten auch nicht darüber befinden, welchen Anteil jede der beteiligten Parteien am Krieg habe. Unsere Aufgabe sei es, die Bedürftigen zu schützen und ihnen zu helfen, betont der Publizist.

In ihrem eine komplette Seite füllenden Leitartikel wirft Magyar Narancs der Regierung vor, bei der Hilfe für die Ukraine Zurückhaltung zu üben. So interpretieren die Redakteure die Entscheidung Budapests, für die Ukraine bestimmte Waffen in Richtung anderer NATO-Mitgliedsstaaten durchzulassen, während tödliche Waffen nicht direkt aus Ungarn in die Ukraine gelangen dürften. Sie sehen darin eine Botschaft an den russischen Präsidenten Putin, den sie als des Ministerpräsidenten „internationales Vorbild und Gönner“ bezeichnen.

In die gleiche Kerbe schlägt der Chefredakteur von Élet és Irodalom, Zoltán Kovács, wenn er seinerseits Viktor Orbán verurteilt. So etwa für dessen ständiges besorgtes Lamentieren um die Beibehaltung niedriger Energietarife. Das bedeute, so Kovács, dass er die Hähne für russisches Gas und Öl offen halte und die geplante Errichtung zweier neuer Blöcke im Bereich des AKW Paks weiter vorantreibe, dessen vier bestehenden Einheiten innerhalb von 15 Jahren stillgelegt werden müssten. Moskau könne nur dann zur Beendigung des Krieges gezwungen werden, wenn der Westen alle Energieimporte aus Russland unterbinde. Der Westen sollte sich für die richtigen Prioritäten entscheiden, fordert Kovács, nämlich für Menschenleben und Frieden, statt für eine geringe Inflationsrate und niedrige Energiepreise.

In Heti Világgazdaság bemerken Péter Hamvay, Dóra Matalin und Yvette Szabó, dass der Krieg in der Ukraine der Opposition eine einmalige Chance böte, in den letzten Wahlkampfwochen Ministerpräsident Viktor Orbán und Präsident Wladimir Putin auf riesigen Plakaten Seite an Seite zu porträtieren. Eine solche aggressive Kampagne, gepaart mit einem schwächelnden Forint, könnte ihrer Meinung nach die Wählerbasis der amtierenden Regierung bis zu einem gewissen Grad erodieren lassen.

Einem redaktionellen Kommentar in Jelen zufolge versucht die Opposition tatsächlich, den Regierungschef als „Putins Pudel“ in der Hoffnung darzustellen, dass sich seine einstmals guten Beziehungen zum russischen Präsidenten angesichts des immer hässlicher werdenden Krieges in der Ukraine jetzt als Bumerang erweisen würden. Die Regierung hingegen, so die Jelen-Redaktion, verspräche Berechenbarkeit und Stabilität. Als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine seien alle früheren Betrachtungen zum Wahlkampf von diesen beiden konkurrierenden Erzählungen verdrängt worden.

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