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Auswirkungen der vereinbarten Russland-Sanktionen

6. Jun. 2022

Kommentatoren sowohl aus dem linken als auch aus dem rechten Spektrum diskutieren die weitreichenden Folgen des ungarischen Widerstands gegen die Sanktionierung russischer Ölimporte sowie von Patriarch Kirill, dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche.

Heti Világgazdaság notiert, dass das sechste Sanktionspaket gegen Russland (siehe BudaPost vom 2. Juni) keineswegs ein gutes Geschäft für Ungarn sei. Das liberale Wochenmagazin weist darauf hin, dass Ungarn gemäß der Vereinbarung so schnell wie möglich den Zufluss russischen Öls abstellen sollte. Laut Heti Világgazdaság hat sich die Europäische Union auf eine Nichtsanktionierung von Patriarch Kirill verständigt, um im Gegenzug nicht festzulegen zu müssen, wie lange noch Ungarn russisches Öl einführen darf. Das Magazin legt zudem nahe, dass die Verteidigung von Patriarch Kirill durch Ministerpräsident Orbán Ungarn in der EU zusätzlich isoliert habe.

Im Gegensatz dazu vertritt Szabolcs Szerető die Auffassung, dass das nicht näher bestimmte Zugeständnis an Ungarn ein gewaltiger Sieg für Ministerpräsident Orbán sei, könne er doch sämtliche Bemühungen blockieren, das Datum für ein verbindliches Ende ungarischer Gasimporte aus Russland festzulegen. Der konservative Kolumnist von Magyar Hang konstatiert: Ungarns widersprüchliche Haltung und seine Bereitschaft, gegen jede gemeinsame Budapest nicht genehme Entscheidung ein Veto einzulegen, werde zu einer großen Belastung für die Geschlossenheit der EU.

168 Óra erkennt in einem Leitartikel auf der ersten Seite an, dass Ministerpräsident Orbán eine EU-interne Schlacht gewonnen habe. Allerdings fragt sich das linksorientierte Wochenjournal, ob die Androhung eines Vetos durch Viktor Orbán nicht nach hinten losgehen könnte. Wenn andere Länder seinem Beispiel folgen würden, könnten sie im Gegenzug ihr Veto gegen Ungarn zugutekommende Beschlussvorlagen einlegen. In einer Randnotiz vermerkt 168 Óra, dass die Inflation trotz der von der Regierung verfügten Energiepreisobergrenzen weiter in die Höhe schieße und sich der Forint gegenüber dem Euro seinem historischen Tiefstand nähere.

In Magyar Narancs äußert sich der Völkerrechtler Tamás Kende irritiert: Weshalb schiene die Ungarn die Bedrohung Mittel- und Osteuropas durch Russland viel weniger zu beunruhigen als die Einwohner anderer Länder der Region. Was die Embargo-Übereinkunft betrifft, so geht der Kolumnist davon aus, dass weitere heftige Auseinandersetzungen bevorstünden, falls die EU festzulegen versuche, bis wann russische Ölpipelines betrieben werden dürften. Die Union werde neue Vorschriften erlassen, um zu garantieren, dass der ungarische Ölkonzern MOL die EU nicht mit russischem Öl überschwemme – und damit gewaltige Profite erziele, so Kende.

Gábor Balogh äußert die Befürchtung, dass Russland sein Angebot reduzieren könnte, um die Ölpreise hoch zu halten. Immerhin könnte Moskau nach der Verhängung eines Importverbots für russisches Öl durch die EU überschüssiges Öl möglicherweise nicht mehr absetzen, so Balogh auf Azonnali.

In Magyar Nemzet verteidigt László Szőcs den Kabinettsbeschluss, die Kraftstoffpreise in Ungarn ungeachtet österreichischer und kroatischer Kritik niedrig zu halten. Der regierungsnahe Kommentator weist den Vorwurf der Führungen beider Nachbarstaaten zurück, Ungarn verstoße gegen die EU-Vorschriften, wenn es den Benzinpreis nur für in Ungarn zugelassene Autos deckeln und Ausländer den vollen Marktpreis zahlen lassen würde. Der Glaube, die ungarische Regierung sollte die Subventionen nicht auf Bürger Ungarns beschränken, sondern sich auch um die Bedürfnisse der österreichischen und kroatischen Nachbarn kümmern, sei absurd, gibt Szőcs zu Protokoll.

Auf Látószög interpretiert András Biró die Absicht, russisches Öl vollständig zu verbieten, als eine Folge der zunehmenden Zentralisierung der EU, die die Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa nach sich ziehen könnte. Der regierungsnahe Analyst behauptet, dass multikulturelle Imperien schwächer seien, da es keinen den Fortschritt stärkenden nationalen Wettbewerb gebe. Die Brüsseler Führung wolle die Nationen auslöschen, eine noch kräftigere zentrale Bürokratie schaffen und als globale Supermacht auftreten. In diesem Sinne wolle sie ihre Werte über ihre Grenzen hinaus durchsetzen. Biró begrüßt es, dass die ungarische Regierung die nationalen Interessen verteidigen wolle und dem Migrationsplan der EU sowie dem russischen Ölembargo entgegentrete.

In einem Gastbeitrag für das Wochenmagazin Magyar Demokrata bezeichnet Attila Kovács die Sanktionen der EU gegen Russland als wirkungslos und falsch. Während die Strafmaßnahmen Russland nicht zu schaden schienen und den Krieg offensichtlich nicht beenden würden, schadeten sie den europäischen Volkswirtschaften, so der Analyst des regierungsnahen Think Tanks Zentrum für Grundrechte. Der konservative Autor wirft der EU vor, sie folge ideologischen Erwägungen, anstatt die Belange der Europäer in den Vordergrund zu rücken. Die ungarische Regierung hingegen schütze mit ihrer Weigerung, die Einfuhr von russischem Öl zu unterbinden, nationale Interessen.

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