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Wochenpresse zu den Zukunftsaussichten der Opposition

4. Jul. 2022

Nach der herben Schlappe der Oppositionskandidaten bei den am 26. Juni landesweit abgehaltenen über 70 Nachwahlen ist sich die Wochenpresse einig, dass tiefgreifende Veränderungen notwendig sind, damit die Opposition dem Fidesz Paroli bieten kann.

Szabolcs Szerető von Magyar Hang notiert sarkastisch: Falls sich Ministerpräsident Orbán inmitten der vielen Härten der Finanzkrise trösten wolle, finde er die einzige Freudenquelle bei der Opposition. Ihre Wähler seien durch den überwältigenden Sieg des Fidesz bei den Parlamentswahlen im April sowie die Ergebnisse der Nachwahlen entmutigt worden. Zu allem Überfluss schienen ihre Politiker auch keinen Zukunftsplan zu haben und böten daher sich nach Veränderungen sehnenden Ungarn keinerlei Hoffnung. Andererseits, so Szerető weiter, würden die wirtschaftlichen Probleme wahrscheinlich die Wählerbasis des Ministerpräsidenten schwächen und damit neue Chancen für eine lebensfähige Opposition eröffnen. Die Frage laute, ob der Regierungschef seine eigene, domestizierte Opposition etablieren wolle und könne oder ob die Unzufriedenheit der ungarischen Gesellschaft eine neue Oppositionskraft bescheren werde.

In ihrem Leitartikel warnt Magyar Narancs vor der Schlussfolgerung, wonach die Opposition die meisten ihrer Anhänger verloren habe. Die Redaktion des liberalen Wochenmagazins vertritt die Auffassung, dass die Wählerinnen und Wähler der Opposition am vergangenen Sonntag deswegen in großer Zahl zu Hause geblieben seien, weil sie nicht das Gefühl gehabt hätten, es handele sich um einen wichtigen Urnengang. Die Redakteure machen darauf aufmerksam, dass die Opposition ungeachtet des Verlustes eines Mandats im Kommunalrat in keiner der von ihr kontrollierten Städte ihre Mehrheit verloren habe. Die psychologische Wirkung des Ergebnisses der Nachwahlen könnte allerdings für die Opposition schmerzhaft sein, befürchtet Magyar Narancs und appelliert an die Opposition, sich im Hinblick auf weitere Nachwahlen im kommenden Herbst zusammenzureißen. Sollte es ihr nicht gelingen, die „Niederlagenspirale“ zu stoppen, könnte das verheerende Folgen für die nächsten Urnengänge in zwei Jahren nach sich ziehen, mahnt Magyar Narancs.

In einem Interview mit 168 Óra vertritt auch Ferenc Gelencsér die Meinung, dass die Nachwahlen im Herbst von großer Bedeutung sein werden, da beispielsweise im ersten Bezirk von Budapest der Kommunalrat lahmgelegt werden könnte, sollte die Opposition dort ihre Mehrheit verlieren. Nach Ansicht des neu gewählten Vorsitzenden von Momentum sollte die Opposition ihre Haltungen ändern und mit klaren und attraktiven Botschaften ein positives Image ausstrahlen, statt lediglich die Regierung zu kritisieren. Gelencsér fürchtet sich nicht vor dem, was in der Presse als eine von der Regierung ausgelegte Falle bezeichnet wird – nämlich die Europa- und die Kommunalwahlen 2023 am selben Tag abhalten zu lassen. Die Opposition werde eine Lösung finden, um getrennt für Sitze im Europäischen Parlament zu kandidieren und gleichzeitig gemeinsame Bewerber bei den landesweiten Kommunalwahlen zu unterstützen, gibt sich der Momentum-Parteichef zuversichtlich.

In Jelen konstatiert die Soziologin Andrea Szabó, dass die Enttäuschung unter den Oppositionsanhängern so massiv sei wie niemals zuvor. Die Wissenschaftlerin erinnert an 2002, als die Fidesz-Wähler über deren Niederlage ebenso schockiert gewesen seien. Damals habe sie dieses Gefühl beflügelt und ihnen bei der Erneuerung ihrer Partei geholfen. Genau das sollte die heutige Opposition auch tun. Aber um erfolgreich sein zu können, müsste sie eine klare, auf gemeinsamen Werten basierende Identität aufbauen. Andernfalls würde ihr Bündnis zwangsläufig zerfallen und wäre nicht in der Lage, neue Wähler zu überzeugen und zu mobilisieren, erläutert Szabó.

In seinem Leitartikel auf der ersten Seite von Demokrata bezeichnet es András Bencsik als aufschlussreich, dass die Oppositionsparteien bei den Nachwahlen vom 26. Juni sogar in Großstädten an Boden verloren hätten. Die Stadtbewohner neigten dazu, ihren eigenen Vorstellungen und Wünschen mehr Glauben zu schenken als der Realität selbst. Langfristig betrachtet hätten sich jedoch die Realitäten der „Misswirtschaft“ der von der Opposition geführten Kommunalverwaltungen als erdrückend erwiesen. Es sei zu früh, auf dieser Grundlage zu erklären, dass die Opposition die nächsten landesweiten Kommunalwahlen verlieren werde. Doch hofft Bencsik, dass die kombinierten Wahlen zum Europäischen Parlament und zu den Gemeinderäten der Opposition einen schicksalshaften Schlag versetzen werden.

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