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Ex-Finanzminister Bokros warnt vor ungarischer Zahlungsunfähigkeit

18. Aug. 2022

Wirtschaftsexperten aus dem gesamten politischen Spektrum kommentieren Aussagen aus den Reihen der Opposition über einen drohenden Zahlungsausfall Ungarns.

In einem Interview mit dem Fernsehsender ATV hatte Lajos Bokros jüngst erklärt, dass Ungarn zahlungsunfähig werden könnte, sollte es die ausgesetzten EU-Mittel nicht erhalten. Bokros, der zwischen 1995 und 1996 unter einer sozialistisch-liberalen Regierung als Finanzminister fungierte und der seinerzeit die massivsten finanziellen Beschränkungen in Ungarn umgesetzt hatte, machte die Regierung für die galoppierende Inflation, die hohe Staatsverschuldung sowie die Armut verantwortlich.

Csaba Szajlai hält die Äußerungen von Bokros für absurd. Der konservative Wirtschaftswissenschaftler der Tageszeitung Magyar Nemzet räumt ein, dass der Krieg in der Ukraine sowie die weltweite Energiekrise große Herausforderungen und die Rezession eine reale Gefahr darstellen würden. Aber das Defizit sei unter Kontrolle und Ungarn habe keine Probleme, Kredite auf dem Markt aufzunehmen. Im Gegensatz zu 2008, als sich die damalige sozialistisch-liberale Regierung zur Abwendung eines drohenden Zahlungsausfalls an den IWF habe wenden müssen, existiere diesmal keine echte Gefahr, behauptet Szajlai.

Auf Mozgástér hält auch Zoltán Kiszelly die Vorhersage von Bokros für unbegründet. Der regierungsnahe Politikwissenschaftler erinnert daran, dass linke Ökonomen seit 2010 regelmäßig den Zusammenbruch der ungarischen Wirtschaft vorausgesagt hätten. Gerade habe das chinesische Unternehmen CATL angekündigt, hierzulande ein Batterieunternehmen im Wert von 3.000 Milliarden Forint zu errichten, erinnert Kiszelly, der sich ziemlich optimistisch gibt, dass Ungarn die ausgesetzten EU-Finanzmittel letztendlich erhalten werde.

Miklós Bonta von Népszava hingegen pflichtet Bokros bei und hält einen Zahlungsausfall für möglich. Der linke Kommentator notiert, dass die Orbán-Regierung seit 2010 trotz „einer eklatanten Korruption“ und politischer Fehler mit Hilfe der üppigen EU-Finanzierung eine Wirtschaftskrise habe abwenden können. Nach der Herabstufung des ungarischen Ausblicks auf „negativ“ durch die Ratingagentur S&P könnten höhere Zinsen langfristig zur Staatspleite führen, befürchtet Bonta.

Bence Bogatin wiederum weist die Behauptung von Bokros zurück, die galoppierende Inflation gehe auf das Konto der Regierung. Auf Mérce weist der Altlinken-Kolumnist darauf hin, dass Ungarn eine offene Volkswirtschaft sei und die globale Inflation daher nicht aus dem Land herausgehalten werden könne. Der Autor kritisiert die Regierung für niedrige Löhne und Einschränkungen und erklärt: Mit dieser Politik habe die Regierung bereits Maßnahmen umgesetzt, die den von Lajos Bokros empfohlenen sehr ähnlich seien.

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