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Orbán bei Gorbatschows Beerdigung

6. Sep. 2022

Ein regierungsnaher sowie ein linksorientierter Kommentator sind sich einig: Es war richtig von Ministerpräsident Viktor Orbán, Michail Gorbatschow durch eine Teilnahme an dessen Beerdigung zu ehren, während andere westliche Staatsoberhäupter diesem Beispiel nicht gefolgt waren.

Zsolt Bayer vergleicht das Schicksal von Michail Gorbatschow mit dem Leben des brasilianischen „Mannes aus dem Loch“. (Das war ein Ureinwohner, der bis zu seinem Tod letzte Woche allein im Regenwald gelebt hatte, nachdem sein Stamm von Siedlern vergiftet worden war – Anm. d. Red.) In der Tageszeitung Magyar Nemzet behauptet der regierungsfreundliche Kommentator, dass der Westen Gorbatschow zum Sieg im Kalten Krieg gelockt habe. Zu diesem Zweck habe man ihm und seinem Volk „giftigen Zucker“ verabreicht, der zum Untergang der Sowjetunion geführt habe. Schade, so Bayer, dass sich westliche Staats- und Regierungschefs – mit Ausnahme des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán – nicht einmal die Mühe gemacht hätten, an seiner Beerdigung teilzunehmen und ihn für seine mutige Entscheidung zu ehren, die Sowjetunion nicht mit Gewalt gerettet zu haben.

In einem Artikel für Népszava erkennt Gábor Horváth an, dass es sich bei der Entscheidung von Ministerpräsident Orbán, an der Beerdigung teilzunehmen, um eine wichtige Geste zur Würdigung von Gorbatschows historischen Leistungen gehandelt habe, die den friedlichen Übergang vom Kommunismus ermöglicht hätten. Auch der linke Kommentator hält es für eine Schande, dass andere Politiker der Region, „die ohne Gorbatschow nicht in souveränen Ländern leben würden“, aufgrund engstirniger politischer Erwägungen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg Gorbatschow ihre Ehre nicht erwiesen hätten.
Allerdings glaubt Horváth, dass die Geste Orbáns noch sympathischer gewesen wäre, hätte er auch Politiker der Sozialistischen Partei eingeladen – Gorbatschows Verhandlungspartner in den späten 1980er Jahren –, anstatt den Fidesz-Abgeordneten Tamás Deutch und die konservativen Historikerin Mária Schmidt. Horváth vermutet zudem, dass Ministerpräsident Orbán die Gelegenheit genutzt habe, um auf Tuchfühlung mit Vertretern des derzeitigen russischen Regimes zu gehen.

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