Kontroverse um Energieabhängigkeit und Souveränität
14. Oct. 2022Ein linker und ein regierungsnaher Kommentator machen sich ihre Gedanken darüber, wie die Europäische Union ihre Eigenständigkeit im Bereich der Energieversorgung mit Hilfe einer Diversifizierung von Gas- und Ölimporten verbessern könnte.
Miklós Hargitai von der Tageszeitung Népszava fordert eine stärkere Diversifizierung der Energieversorgung sowie mehr grüne Energie. Der regierungskritische Kommentator widerspricht den jüngsten Äußerungen von Ministerpräsident Viktor Orbán zur Energiepolitik.
(Auf einem Forum, das von der Berliner Zeitung und dem Online-Magazin Cicero am Dienstag in Berlin organisiert worden war, kritisierte Orbán die EU-Sanktionen gegen Russland und behauptete, dass sie der EU mehr schaden würden als Russland. Der Gast aus Budapest machte zudem geltend, dass Ungarn keine Alternative zu russischer Energie habe. Auch warnte er davor, die Abhängigkeit von russischen Energieimporten durch eine Abhängigkeit von US-amerikanischem Flüssiggas zu ersetzen. Nach Ansicht Orbáns sollte die EU auch Energie beispielsweise aus Algerien und Katar einführen – Anm. d. Red.)
Dass die EU jemals von US-amerikanischen LNG-Importen abhängig werden könnte, ist für Hargitai ein absurder Gedanke. Da die EU bereits Verträge mit Algerien, Norwegen und Aserbaidschan abgeschlossen habe – zusätzlich zu denen mit den Vereinigten Staaten –, habe sie ihre Souveränität im Bereich der Energieversorgung bereits deutlich verbessert, argumentiert der Kommentator.
Gergely Kiss bezweifelt, dass Europa seine Energiesouveränität durch einen raschen Ausbau der Kapazitäten für grüne Energie stärken könne. In einem Artikel der Zeitung Magyar Nemzet pflichtet der regierungsnahe Autor zwar der These bei, der zufolge umweltfreundliche Technologien für die EU Priorität haben sollten. Allerdings glaubt er nicht an die Möglichkeit, mehr als eine schrittweise Reduzierung des Einsatzes von Gas-, Öl- und Kohle erreichen zu können, der aktuell 73 Prozent des derzeitigen Energieverbrauchs in der Europäischen Union ausmache. Gewiss, Diversifizierung und Förderung umweltfreundlicher Technologien seien längerfristig wichtig, zwischenzeitlich allerdings müsse die EU auf billige Energieträger zurückgreifen. In einer Nebenbemerkung ergänzt Kiss: Erneuerbare Energien machten den Einsatz von Rohstoffen erforderlich, die praktisch nur aus China eingeführt werden könnten. Damit würde eine grüne Wende zwar den Einfluss Russlands auf Europa verringern, aber die Abhängigkeit der EU von China erhöhen.
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