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Rede Viktor Orbáns zum 23. Oktober

25. Oct. 2022

Ein regierungsnaher Kolumnist pflichtet dem Ministerpräsidenten bei, wenn dieser dem Westen Verrat an Ungarn im Jahr 1956 zur Last legt. Eine liberale Autorin wiederum vertritt die Ansicht, dass Orbán ausführlicher auf die Rolle der Sowjetunion bei der Niederschlagung der Revolution hätte eingehen sollen.

In seiner Rede anlässlich des 23. Oktober in der westungarischen Stadt Zalaegerszeg hat Ministerpräsident Viktor Orbán zugesagt, dass trotz der „Migrationskrise im Süden, des Krieges im Osten und der Wirtschaftskrise im Westen“ seine Regierung die wirtschaftliche Stabilität des Landes verteidigen und den Familien helfen werde, und zwar auch „gegen diejenigen, die von ihrem Hochsitz in Brüssel aus auf uns schießen“. Orbán sagte: Die ungarischen Interessen könnten nur von den Ungarn verteidigt werden. Das Land hätte die Chance gehabt, seine Unabhängigkeit wiederzuerlangen, wenn „der Westen uns nicht verraten hätte“.

Für László Petrin von Magyar Hírlap ist die Zeit gekommen, die Ungarn daran zu erinnern, dass ihr Land 1956 vom Westen verraten worden sei. Die mutigen ungarischen Freiheitskämpfer seien von den USA allein gelassen worden, als Washington der Sowjetunion versichert habe, dass man sich nicht einmischen und die ungarischen Revolutionäre nicht als Verbündete betrachten werde. Weiter behauptet der konservative Jurist, dass ohne den Verrat der Vereinigten Staaten die Sowjetunion ihre Truppen 1956 aus Ungarn abgezogen hätte. Heutzutage würden die Führung der Europäischen Union sowie die USA Ungarn noch unfreundlicher gegenüberstehen als der Westen 1956, denn damals „griffen sie uns wenigstens nicht an“, schließt Petrin seien Überlegungen.

Auch László Szentesi Zöldi interpretiert die berühmte Note des US-Botschafters in Moskau als Zusicherung an die Adresse der sowjetischen Regierung, dass sie in Ungarn freie Hand habe. In der Tageszeitung Magyar Nemzet erinnert der Kolumnist daran, dass das US-amerikanische Radio Free Europe gleichzeitig die Ungarn zum weiteren Kampf gegen die russischen Invasoren aufgefordert habe. Solange diese Wunden nicht verheilt seien, so Szentesi Zöldi, ergebe es keinen Sinn, kritische Botschaften zu übermitteln.

In einem Interview mit der linksorientierten Tageszeitung Népszava bezeichnet Andrea Virág es als eigenartig, dass der Ministerpräsident den Krieg in der Ukraine nur am Rande erwähnt habe, obwohl sie große Ähnlichkeiten zwischen der aktuellen Notlage des Nachbarlandes und der Ungarns im Jahr 1956 erkennen könne. Die Direktorin des liberalen Republikon-Instituts liest aus den Worten Orbáns vom durch den Westen verratenen Ungarn „eine deutliche Botschaft“ heraus.

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