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Wochenpresse zur Vereinbarung über EU-Zahlungen

19. Dec. 2022

Ein regierungsnaher Kommentator hofft, dass sich die EU-Entscheidungsträger bis zum nächsten Frühjahr von der Erfüllung der Ungarn auferlegten Rechtsstaatskriterien überzeugen werden. Oppositionsnahe Kolumnisten hingegen begrüßen die Entschlossenheit der EU-Kommission, Ungarn weiterhin unter Beobachtung zu halten.

Gergely Dobozi räumt ein, dass der Betrag der vom Europäischen Rat eingefrorenen EU-Transfers beträchtlich sei. Allerdings, so der Kolumnist in Mandiner, sei das Geld nicht verloren und werde freigegeben, wenn Ungarn die mit der Europäischen Kommission vereinbarten Bedingungen erfülle. Jedoch bleibe der Mechanismus der Konditionalität im Bereich der Rechtsstaatlichkeit in Kraft. Das bedeute, dass weitere Zahlungen jederzeit aus derlei Gründen ausgesetzt werden könnten. Nichtsdestotrotz, so Dobozi, werde im März 2023 eine Reihe neuer Vorschriften in Kraft treten, und bis dahin könnten sich die Entscheidungsträger davon überzeugen, dass die Integrität des öffentlichen Auftragswesens in Ungarn verbessert worden sei. Ähnliche Erwartungen sollten übrigens auch an andere Mitgliedsländer gerichtet werden, empfiehlt Dobozi.

Im Gegensatz dazu interpretiert Magyar Narancs die Entscheidung des Europäischen Rates als einen Knockout für die ungarische Regierung. Budapest habe es nicht geschafft, Verbündete zu finden, die das Land aus dem System der rechtsstaatlichen Konditionalität herauslösen würden, heißt es im Leitartikel des linksliberalen Wochenmagazins. Weder der französische Präsident Macron noch die Regierungen Polens oder Italiens seien Ungarn zu Hilfe gekommen – ganz zu schweigen von den Staats- und Regierungschefs Deutschlands und Spaniens, schreibt Magyar Narancs. Abschließend erklären die Redakteure: Ministerpräsident Orbán sei „von der Europäischen Kommission ausgetrickst und von der Europäischen Union ausgeknockt“ worden.

Einen vergleichbaren Ton schlägt Ibolya Jakus in Heti Világgazdaság an, wenn sie konstatiert: Der ungarische Ministerpräsident habe in Brüssel eine Niederlage einstecken müssen. In ihrem Leitartikel auf der Titelseite beschreibt die Kolumnistin die Taktik Viktor Orbáns während der Gespräche als eine Reihe von Erpressungen, da Ungarn damit gedroht habe, weder dem geplanten gemeinsamen Kredit der Europäischen Union zur Unterstützung der Ukraine, noch der von den Vereinigten Staaten vorgeschlagenen weltweiten Mindestkörperschaftssteuer zuzustimmen. Letzten Endes habe „Don Veto“ nachgeben müssen, aber im Gegenzug Zeit gewonnen, um die von der Europäischen Union gestellten Bedingungen zur Korruptionsbekämpfung zu erfüllen, erläutert Jakus und fährt fort: In der Zwischenzeit haben die der Korruption beschuldigten Abgeordneten des Europaparlaments dem Ministerpräsidenten ein veritables Propagandainstrument in die Hand gegeben.

Zoltán Kovács hält nichts von der Argumentation, der zufolge es perfide sei, Ungarn Korruption vorzuwerfen, während prominenten EU-Parlamentariern Bestechlichkeit von Seiten Katars zur Last gelegt werde. Der Chefredakteur von Élet és Irodalom argumentiert, dass gegen die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Eva Kaili, wegen Bestechlichkeit ermittelt werde und sie von ihrem Posten entfernt worden sei. Flórián Farkas hingegen, der regierungsnahe ehemalige Vorsitzende der Roma-Selbstverwaltung, bleibe strafrechtlich unangetastet, obwohl seine Organisation über eine Milliarde Forint (rund 2,5 Millionen Euro) für berufliche Weiterbildungskurse verschwendet habe.

Im Magazin Jelen hingegen interpretiert Tamás Fóti den Beschluss des EU-Gipfels als „Weihnachtsgeschenk“ für Ministerpräsident Orbán. Demnach habe das Europäische Parlament die Kommission zwar davon überzeugen können, Zahlungen an Ungarn von der Erfüllung rechtsstaatlicher Bedingungen abhängig zu machen. Doch weder die Kommission noch die Mitgliedsländer hätten den Fluss von EU-Geldern Richtung Ungarn unterbrechen wollen. Einen Grund dafür vermutet Fóti in der Tatsache, dass ein Großteil dieser Transfers in die Beitragsländer zurückfließe, deren Unternehmen zahlreiche Beschaffungsaufträge auf der Grundlage von EU-Zahlungen erhielten.

In seinem allwöchentlichen Leitartikel für Magyar Hang äußert Szabolcs Szerető die Vermutung, dass das Tauziehen zwischen der EU und Ungarn weitergehen werde sowie die Staats- und Regierungschefs der Union „die Erpressung“ von Seiten Ungarns nicht vergessen werden, um die Freigabe des größten Teils der EU-Finanzmittel zu erreichen. Zugleich weist Szerető Hoffnungen der Opposition zurück, die ungarische Regierung könne vom Ausland aus gestürzt werden, beispielsweise durch einen EU-Beschluss, für Ungarn bestimmte Mittel zurückzuhalten.

In diesem letzten Punkt stimmt Gábor Bencsik vollständig mit Szerető überein. Der Chefredakteur des regierungsfreundlichen Magazins Demokrata kritisiert der Opposition nahestehende Intellektuelle, die ihre eigenen Parteien verachten würden, weil diese nicht in der Lage seien, sich zu einer echten Herausforderung für die Regierung zu entwickeln. Er verurteilt sie insbesondere für deren Annahme, die ungarische Regierung könne nur durch äußere Kräfte gestürzt werden. In Wirklichkeit hindere niemand die Opposition an einer wirksamen Kontrolle der Regierung. Auch könnte sie die Wählerinnen und Wähler davon überzeugen, dass sie über eine bessere Alternative verfügen würde. Wenn es der Opposition an talentierten Führungspersönlichkeiten mangele, um diese grundlegende Aufgabe jeder Opposition zu erfüllen, dann stimme etwas nicht mit ihr, nicht jedoch mit der ungarischen Demokratie, argumentiert Bencsik.

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