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Die Beziehungen zwischen den USA und Ungarn im Spiegel der Wochenpresse

24. Apr. 2023

Oppositionsnahe Autoren wettern gegen die Regierung, die sie als Ausreißer innerhalb des Nordatlantischen Bündnisses und der Europäischen Union betrachten. Anhänger der Regierung loben dagegen die ungarische Führung für die Verteidigung der Souveränität des Landes.

Jelen widmet dem Thema gleich vier Artikel: So ist es in den Augen von Ákos Tóth geschmacklos, dass Außenminister Péter Szijjártó den US-Botschafter in Budapest kritisiert, indem er ausländische Akteure auffordert, Ungarn nicht als Kolonie zu betrachten. (Zur Pressekonferenz von Botschafter David Pressman, in der er die intensive wirtschaftliche Kooperation Ungarns mit Russland kritisierte, siehe BudaPost vom 14. April.) Tóth wirft Ministerpräsident Orbán vor, mit seiner Haltung zum Krieg in der Ukraine russischen Interessen zu dienen und antiamerikanische Rhetorik für den heimischen Gebrauch einzusetzen.
In einem umfangreichen seinem Kommentar folgenden Artikel zitiert Tóth Viktor Orbán, der im Februar vor den Abgeordneten seiner Fidesz-Partei gesagt habe, die Regierung Biden gehöre zu denjenigen internationalen Interessengruppen, die den Krieg befürworten würden – und sei somit eine Gegnerin Ungarns. In derselben linksorientierten Wochenzeitung bezeichnet András Simonyi die Unterstützung Orbáns für Donald Trumps Bemühungen, im nächsten Jahr ins Weiße Haus zurückzukehren, als vergebliches Hoffen. Zwar schließt Ungarns ehemaliger Botschafter in Washington einen Sieg Trumps nicht aus, fügt aber hinzu, dass eine mögliche republikanische Regierung es nicht gutheißen würde, wenn sich Ungarn zu sehr mit China und Russland anfreunden würde.
Ein weiterer Interviewpartner von Jelen, der in Washington tätige ungarisch-amerikanische Professor Charles Gáti, sagt voraus, dass Trump die Wahlen im nächsten Jahr nicht gewinnen werde. Doch selbst wenn er es täte, hätte Ministerpräsident Orbán nichts von ihm zu erwarten, weil Donald Trump seine Meinung von einem Tag auf den anderen ändere.

Zoltán Kovács kritisiert Wortspiele des Ministerpräsidenten über den Namen von US-Botschafter David Pressman. (Orbán hatte den amerikanischen Chefdiplomaten in Budapest als „Druckmann“ bezeichnet und sich danach gewünscht, dass der nächste US-Botschafter nicht „Puccini“ heißen möge – in offensichtlicher Anspielung auf das Wort „Putsch“ – Anm. d. Red.) Der Chefredakteur der liberalen Wochenzeitung Élet és Irodalom bemängelt, Ungarns Außenpolitiker würden beim Betreiben einer „gegen die EU sowie die Nato gerichteten Politik unerträgliche Manieren“ an den Tag legen. Ungarn sei mit seiner Haltung bezüglich des Ukraine-Krieges ein einsamer Ausreißer sowohl in der Europäischen Union als auch innerhalb der Nato, notiert Kovács.

In Magyar Hang äußert Szabolcs Szerető die Vermutung, dass der Regierungschef nach der Pressekonferenz von US-Botschafter Pressman aufgrund eines Schrecks einen konzilianteren Ton angeschlagen habe. Weder Washington noch Budapest wollten die bilateralen Beziehungen grundlegend verschlechtern. Indem Orbán die Vereinigten Staaten als Verbündeten und Freund bezeichnet und erklärt habe, Ungarn stehe als Mitglied der westlichen Allianz auf der Seite des Opfers der russischen Aggression, habe der Ministerpräsident eine rasche Eskalation des Streits zwischen den USA und Ungarn verhindern wollen, glaubt Szerető. Gleichzeitig geht er davon aus, dass die ungarische Regierung auch keine Gesten machen werde, um gute Beziehungen zu den USA wieder aufleben zu lassen.

Árpád W. Tóta begrüßt die vom US-Botschafter in seiner Pressekonferenz ausgesprochenen Warnungen. Die Drohung mit gegen ungarische Offizielle gerichteten Sanktionen hätten die Regierenden möglicherweise zum Einlenken gezwungen, so der Kolumnist in Heti Világgazdaság, der ein ähnliches Vorgehen auch von der Europäische Union verlangt. Gewiss dürfe Europa nicht der Vasall Amerikas sein, zitiert Tóta den französischen Präsidenten Macron, fügt aber hinzu, dass es durchaus etwas von den Vereinigten Staaten lernen könne.

In einem Artikel für das Wochenmagazin Magyar Demokrata vertritt Professor Tamás Magyarics die Auffassung, dass die USA an Ungarn ein Exempel hätten statuieren wollen, die Botschaft aber an Europa ganz allgemein gerichtet gewesen sei. Das State Department habe sich ein relativ leichtes Ziel ausgesucht, als man Ungarn wissen ließ, dass eine zu autonome Außenpolitik mit hohen Kosten verbunden wäre, analysiert der renommierte Experte für internationale Beziehungen. Magyarics bezeichnet diese Warnungen lediglich als momentane Warnschüsse, merkt aber an, dass die amerikanische Seite unzählige Instrumente in der Hand halte, um Ungarn vor allem in finanzieller Hinsicht Schwierigkeiten zu bereiten.

In seinem Mandiner-Leitartikel weist Milán Constantinovits linke Interpretationen zurück, denen zufolge schon eine lauwarme Warnung der Vereinigten Staaten die ungarische Regierung zu einem Rückzieher gezwungen habe. Die Mahnung des US-Botschafters sei deswegen schwach ausgefallen, weil Pressman und die Regierung Biden erkannt hätten, dass Ungarn nicht wie ein Marionettenstaat behandelt werden könne, meint der Kolumnist. Ungarn sei weder eine willfährige Kolonie noch eine gehorsame Filiale der Weltbank, so Constantinovits weiter. Ungarn sei sich bewusst, dass „unser Europa in einer Identitätskrise steckt“ und dass wir in einer Welt leben müssten, die nicht nur von den Vereinigten Staaten, sondern auch von Russland und China dominiert werde.

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