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Ungarns Beziehungen zu seinen Verbündeten im Spiegel der Wochenpresse

3. Apr. 2023

Kritiker rügen die Regierung für ihre Haltung zur Ukraine sowie ihre zunehmend feindselige Einstellung gegenüber den Nato- und EU-Verbündeten, während sich regierungsnahe Kommentatoren in dieser Hinsicht auf die Seite des Kabinetts schlagen.

Die Regierung sei bereit, die rund vier Milliarden Euro zu opfern, die Ungarn theoretisch von der Europäischen Union für den laufenden Siebenjahreszeitraum zustehen würden, notiert Péter Heil in Magyar Narancs. (Dieser Betrag wird aufgrund von Problemen bezüglich der Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien in Ungarn von Brüssel zurückgehalten – Anm. d. Red.) Nach Ansicht Heils ist die Regierung nur zu oberflächlichen Zugeständnissen bereit, die von der Europäischen Kommission vermutlich nicht als zufriedenstellend empfunden werden könnten. Immerhin schätzt der Kolumnist die ungarische Haltung zum Krieg in der Ukraine als noch nachteiliger für die Beziehungen des Landes zu seinen westlichen Partnern ein. Derartige Meinungsverschiedenheiten könnten Ungarn letztlich aus dem transatlantischen Bündnis herausführen, befürchtet Heil.

In ähnlicher Weise kritisiert János Reichert von der Wochenzeitung Magyar Hang die Regierenden, weil Schweden auf die Genehmigung seines Nato-Beitrittsgesuchs warten müsse, obwohl das entsprechende Begehren Finnlands mittlerweile ratifiziert worden sei. Der Kolumnist lässt die offizielle Begründung nicht gelten, der zufolge zahlreiche Fidesz-Abgeordnete zögern würden, für den schwedischen Nato-Beitritt zu stimmen, weil schwedische Politiker Budapest gegenüber offen kritisch eingestellt seien. Niemand habe jemals auch nur einen dieser vermeintlich zweifelnden Abgeordneten namentlich benannt, schreibt Reichert und erinnert daran, dass dasselbe Argument auch im Fall Finnlands vorgebracht, jedoch mittlerweile aus der Welt geschafft worden sei.

In Jelen interpretiert Zoltán Lakner die von den Regierenden vorgebrachten Gründe, die schwedische Nato-Mitgliedschaft nicht auf die Tagesordnung des Parlaments zu setzen, als Beleg dafür, dass man sich für die innerhalb der Europäischen Union gegen Ungarn geäußerte Kritik bezüglich der Rechtsstaatlichkeit rächen wolle. Außerdem sei Schweden der amtierende turnusmäßige EU-Ratspräsident. Somit lasse der Konflikt den Eindruck entstehen, dass die Regierung die Hoffnung aufgegeben habe, die Ungarn zustehenden europäischen Mittel freizubekommen. Deswegen werde, so Lakner, für den einheimischen Gebrauch ein konfrontativer Ton angeschlagen, anstatt sich darum zu bemühen, die Dinge in die richtige Richtung zu lenken.

Dániel Kacsoh hingegen verteidigt die ungarische Haltung zum Krieg in der Ukraine als eines der umstrittensten Elemente in den Beziehungen Ungarns zu seinen Verbündeten. In einem Beitrag für Mandiner bezeichnet es der Autor als extrem ungerecht, jeden, der sich für einen Waffenstillstand einsetze, als im Dienste der Interessen von Wladimir Putin stehend zu diskreditieren. Kacsoh weist das Argument von Oppositionspolitikern zurück, die sich auf den ersten ungarischen König berufen: Der Heilige Stephan habe sich mit der Annahme des römischen Katholizismus für den Westen und gegen den Osten entschieden. Zudem habe der Heilige Stephan auch das eine Kolonisierung Ungarns anstrebende römisch-deutsche Heer geschlagen. Das hätten auch viele seiner Nachfolger getan – sie stemmten sich der Expansion aus dem Osten, einschließlich Russlands, sowie Bedrohungen aus dem Westen entgegen – wenn auch nicht immer mit Erfolg.

András Bencsik vertritt die Ansicht, dass die westliche Gemeinschaft dazu neige, Russland für Fehltritte zu verurteilen, die von den Vereinigten Staaten in der Vergangenheit begangen worden seien, ohne dass dies eine offizielle Verurteilung nach sich gezogen habe. Als Beispiel verweist der Chefredakteur des Wochenmagazins Demokrata auf den vom Internationalen Strafgerichtshof gegen Putin erlassenen Haftbefehl, weil Russland unter seiner Ägide Tausende von Kindern aus der Ukraine deportiert habe. Bencsik zieht eine Parallele zwischen diesem Programm und der so genannten Baby-Lift-Operation, bei der 1975 etwa 3.300 vietnamesische Kinder in die Vereinigten Staaten verbracht wurden. Darüber hinaus schreibt der regierungsnahe Publizist: Hunderttausende von Ukrainern seien aus ihrem Land geflohen und viele von ihnen hätten sich in Deutschland niedergelassen. Offiziellen Schätzungen zufolge bräuchte Deutschland eine halbe Million Einwanderer pro Jahr, um seine Wirtschaft in Schwung zu halten. Bencsik vermutet daher, dass Deutschland kein gesteigertes Interesse an einer baldigen Beendigung des Ukraine-Krieges habe.

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