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Schülerdemos im Fokus der Wochenpresse

29. May. 2023

Oppositionsnahe Kolumnisten wettern gegen die Regierung und werfen ihr vor, das öffentliche Bildungssystem gegen die Wand zu fahren. Gleichzeitig loben sie die paar hundert Schülerinnen und Schüler, die ihre Unzufriedenheit mit dem System auf die Straße getragen haben. Ein regierungsnaher Analyst dagegen bezeichnet es als beschämend, dass die Opposition Schülerinnen und Schüler an die Front schickt, um die Polizei zu provozieren.

In ihrem Leitartikel macht sich Magyar Narancs über eine improvisierte Pressekonferenz lustig, die die Polizei nach der letzten Schülerdemonstration einberufen hatte. (Bei der PK wurden Gegenstände präsentiert, mit denen die Demonstrierenden die Polizei angriffen hatten – darunter Plastikflaschen, Bierdosen, eine Fahnenstange, eine Angelrute sowie eine Schraube samt Mutter – Anm. d. Red.) Das liberale Wochenmagazin bestreitet die offizielle Erklärung, wonach die Polizei auf den Einsatz von Tränengas gegen Demonstrierende verzichtet habe. Eine Gruppe von ihnen solle dabei spät in der Nacht versucht haben, in die leeren Büros der Regierungspartei einzudringen. Magyar Narancs zitiert Teilnehmende, die der Polizei den Einsatz von Schlagstöcken und in einigen Fällen von Elektroschockern vorwerfen. Mögen sich die Schülerinnen und Schüler nicht einschüchtern lassen und weiter gegen die Regierung demonstrieren, so die Hoffnung der Redaktion des Wochenmagazins.

In Magyar Hang verweist István Dévényi darauf, dass sich in Rumänien fast zwei Drittel der Lehrkräfte an einem landesweiten Streik beteiligt hätten, um ihrer Forderung nach Lohnerhöhungen Nachdruck zu verleihen. In Ungarn dagegen würden sich Lehrende und ihre Unterstützer auf Demonstrationen beschränken. Und da die Demonstration mit mehreren Tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmern keinerlei Ergebnisse gezeitigt habe, könne er nachvollziehen, dass es einige frustrierte junge Menschen auf Zusammenstöße mit der Polizei angelegt hätten. In diesem Jahr hätten lediglich 1,2 Prozent von jungen, sich um ein Universitätsstudium bewerbenden Leuten Pädagogik als erste Wahl angegeben. Das sei deprimierend, befindet Dévényi und beklagt zugleich die Tatsache, dass laut einer aktuellen Meinungsumfrage 55 Prozent der Fidesz-Wählerschaft mit der Leistung der Regierung im öffentlichen Bildungswesen zufrieden seien.

Es sei skandalös, dass von allen Pädagogik-Studienplatzbewerberinnen und -bewerbern ganze drei Biologie und Chemie gewählt hätten, während nur ein einziger von ihnen Physik als sein bevorzugtes Lehramtsfach angegeben habe, schimpft Árpád W. Tóta in seiner regelmäßigen Heti Világgazdaság-Kolumne. Die Erklärung der Regierung, wonach die Löhne der Lehrenden nicht im gewünschten Maße angehoben würden, weil die Europäische Union für Ungarn bestimmte Finanzmittel zurückhalte, weist der Kolumnist zurück. Die Krise sei zu tief, als dass sie sich wegdiskutieren lasse und man der Europäischen Kommission die Schuld in die Schuhe schieben könne. Die Polizei habe sich wohl die Kindererziehung zur Aufgabe gemacht – wenn auch mit Hilfe von Schlagstöcken, so Tóta sarkastisch. Dennoch begrüßt er die Entscheidung des einsamen angehenden Physikstudenten als Beweis für die Zuversicht des jungen Menschen, dass „all dies enden wird, und zwar innerhalb der kommenden fünf Jahre“.

Gábor Bencsik argwöhnt bei Demokrata, dass die Opposition mit der Aufforderung an die Schülerinnen und Schüler, sie mögen in die leere Fidesz-Zentrale eindringen, der Polizei eine Falle gestellt habe. Die Polizei habe nämlich nicht gestatten können, dass eine ungarische Version des Sturms auf den Capitol Hill in Washington im Jahr 2021 inszeniert werde. Demzufolge habe sie die Demonstrierenden zurückdrängen müssen, so der Chefredakteur des Wochenmagazins. Entsprechend hätten Fotografen Bilder machen können, die sich als Propagandamaterial in Ungarn und im Ausland verwenden ließen. Doch würden 80 Prozent des Wahlvolkes diese Geschichte nicht glauben und seien sich bewusst, dass Erwachsene diese Kinder gegen die Polizei vorgeschickt hätten. Es verwundere nicht, dass die Ungarn bei acht von zehn Nachwahlen in verschiedenen Orten für die Fidesz-Kandidaten gestimmt hätten, so Bencsik abschließend.

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