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Konservative Denkfabrik übernimmt Buchhandelskette und Verleger Libri

16. Jun. 2023

Die staatlich finanzierte Denkfabrik Matthias Corvinus Collegium (MCC) ist jetzt nahezu alleinige Eigentümerin der größten ungarischen Buchhandelskette samt Verlag. Vor diesem Hintergrund macht sich unter anderem ein regierungsnaher Kommentator über vernehmbare Proteste aus dem liberalen Lager lustig.

Das Matthias Corvinus Collegium ist eine konservative Denkfabrik, die verschiedene Bildungs-, Forschungs- und Kulturprojekte umsetzt. Mitte der Woche hat das MCC einen Anteil von mehr als 98 Prozent am Libri-Konglomerat erworben, zu dem das landesweit größte Netz von Buchhandlungen sowie mehrere Verlage gehören. Nach Angaben des Unternehmens wird das Management bei Libri verbleiben. Zudem seien keine Änderungen in seiner Geschäftstätigkeit oder der Art der verlegten und verkauften Bücher geplant.

Zu den Hintergründen der Übernahme notiert Klubrádió auf seiner Website, dass MCC bereits mehr als 20 Prozent der Anteile gehalten und die des Haupteigentümers nunmehr aufgekauft habe, der das Geld vermutlich für die Generalsanierung des historischen Kaufhauses Corvin im Budapester Zentrum benötigte.

RTL berichtet, dass nach der Übernahme mehrere liberale Autoren einen Bruch mit Libri angekündigt hätten. Der Fernsehsender nennt drei Autorinnen und Autoren namentlich, die nunmehr über kein Vertrauen mehr in Libri verfügen würden.

24.hu zitiert zwei weitere Personen, die Kunden von Libri bleiben würden – und zwar so lange wie ihre Redakteure im Amt seien.

In Magyar Nemzet macht sich György Pilhál über Éva Péterfy lustig, die nach eigenen Angaben künftig nicht mehr mit Libri zusammenarbeiten wolle. Pilhál fragt sarkastisch, ob ihr Weggang Libri nicht zum Verhängnis werden könnte. Der Kolumnist erwähnt, dass sie und ihr Mann Gergely – ebenfalls Schriftsteller – vor kurzem nach Italien gezogen seien, weil sie „den in Ungarn herrschenden Hass und die Ausgrenzung“ nicht mehr hätten ertragen können. Wenn sie nicht mit Libri zusammenarbeiten könnten, „wer ist dann in dieser Geschichte der Ausgrenzende?“, fragt Pilhál.

Das Nachrichtenportal Telex gibt einen Kommentar aus dem Blog des Wirtschaftswissenschaftlers Zoltán Pogátsa wieder. Demnach sei es sinnlos, dass Liberale über die Übernahme eines einzigen Buchunternehmens jammerten. Gäbe es einen starken Mittelstand in Ungarn, so Pogátsa, könnten Autoren, denen die neuen Libri-Eigentümer nicht passten, unter vielen anderen lebensfähigen Unternehmen wählen. Wenn einige wenige Unternehmen eine hegemoniale Stellung auf dem Buchmarkt eingenommen hätten, so trügen die Liberalen die Schuld dafür. Sie hätten zu Zeiten ihrer Mitherrschaft in den 1990er-Jahren eine Wirtschaftspolitik zugunsten des Großkapitals betrieben, erinnert Pogátsa.

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