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Wochenpresse zu den auf Eis gelegten EU-Transfers

26. Jun. 2023

Oppositionsnahe Kommentatoren gehen davon aus, dass Brüssel die meisten Finanztransfers an Ungarn auch weiterhin zurückhalten wird. In diesem Sinne plädiert ein der Regierung nahestehender Wirtschaftswissenschaftler dafür, dass man sich hierzulande darauf einstellen müsse.

In einem bissigen Leitartikel von Élet és Irodalom vergleicht János Széky die derzeitige Lage Ungarns mit der letzten Periode der antiken Römischen Republik: Die Macht liege in den Händen einer einzigen Person. Ein solcher Herrscher, so der Ressortleiter Außenpolitik der regierungskritischen Wochenzeitung weiter, verabscheue jede Beschneidung seiner Befugnisse, sei es von innen oder von außen. Aus diesem Grunde wehre sich Ministerpräsident Orbán gegen die Einschränkung der ungarischen Souveränität durch die Europäische Union. Dennoch glaubt Széky nicht, dass Ungarn die Europäische Union verlassen werde – allerdings nur, weil die Regierung unbrauchbar oder peinlich gewordene Personen an verschiedene Institutionen in Brüssel delegieren könne. Im Übrigen hält er es für wahrscheinlich, dass Ungarn die meisten der dem Land unter normalen Bedingungen zustehende Transfers vorenthalten würden.

In einer seiner gewohnt pointierten Kolumnen verdächtigt Sándor Révész die Regierung, statt auf die von der Europäischen Kommission festgelegten Bedingungen im Bereich Rechtsstaatlichkeit einzugehen, opfere sie lieber EU-Transfers im Wert von rund 30 Milliarden Euro (über einen Zeitraum von sieben Jahren). Die Europäische Union habe bereits beschlossen, die „Usurpatoren der Macht“ in Ungarn nicht mehr zu finanzieren, da Brüssel Ungarn nicht finanzieren könne ohne diese Usurpatoren gleichzeitig mit Geld zu versorgen, vermutet der liberale Kolumnist in seinem Text für Heti Világgazdaság. Er ist davon überzeugt, dass die „Plünderer Ungarns“ dieses Geld bereits abgeschrieben haben. Der Grund: Mit Erfüllung der mit diesen Transfers gekoppelten Bedingungen würden sie ihrer eigenen Macht Grenzen setzen.

In einem Interview mit Demokrata äußert der altgediente Weltbank-Ökonom Károly Lóránt die Ansicht, dass Ungarn die meisten EU-Transfers erhalten werde – mit Ausnahme der Corona-Wiederaufbaugelder, dem einzigen Finanzpaket, mit dem die Kommission „Ungarn auf Drängen des Europäischen Parlaments erpressen will“. Lóránt beschuldigt die Europäische Kommission, die Mittel zwecks Sturz der ungarischen Regierung zurückzuhalten. Um derlei Fallen zu vermeiden, fordert er die ungarische Führung auf, sich auf eine Zukunft vorzubereiten, in der das Land sein Wachstum hauptsächlich aus eigenen Ressourcen werde finanzieren müssen.

Im Gegensatz dazu veröffentlicht Mandiner die überaus EU-freundliche Kolumne aus der Feder eines Ministers: Der für die Verhandlungen mit der Union über Finanztransfers zuständige Tibor Navracsics zerstreut die im Europäischen Parlament vorherrschenden Besorgnisse im Hinblick auf die in einem Jahr turnusmäßig anstehende EU-Ratspräsidentschaft Ungarns. Er argumentiert, dass wichtige Mitglieder seines Kabinetts bereits vor zwölf Jahren der Regierung angehört hätten, als Ungarn zum ersten Mal erfolgreich die rotierende halbjährige Präsidentschaft ausgefüllt habe. Unter der Führung des erfahrensten Regierungschefs in der Europäischen Union werde das ungarische Team, das sich in der zweiten Hälfte 2024 den Herausforderungen der europäischen Integration stellen werde, eines sein, das bereits in der Vergangenheit heftige Streitigkeiten abgemildert habe, so Navrcsics.

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