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Wochenpresse zu den Themen Ukraine und Oppositionsmisere

4. Sep. 2023

Verschiedene Kommentatoren machen sich über die Bedeutung des Besuchs von Präsidentin Katalin Novák in Kiew sowie über eine korrekte Haltung zum Krieg in der Ukraine ihre Gedanken. Ein weiteres Thema ist die Frage, ob die Opposition zur ernsthaften Herausforderung für die Regierenden werden könnte.

In einem ihrer üblichen Wochenleitartikel heißt es in Magyar Narancs: Präsidentin Katalin Novák spiele die Rolle eines „Viktor Orbán mit menschlichem Antlitz“. Exakt in dieser Rolle sei sie in die Ukraine gereist und habe ihren Amtskollegen Selenskyj getroffen. Die Redakteure des liberalen Wochenmagazins vertreten die Auffassung, dass die Präsidentin mit ihrer verbalen Verurteilung der russischen Aggression der europäischen Mehrheitsposition näher stehe als die ungarische Regierung. Allerdings dürfte die Ukraine-Visite Nováks die internationale Isolation von Orbán nicht abmildern, da er weithin als „Unterstützer der russischen imperialistischen Ambitionen und als Verräter an der europäischen Gemeinschaft“ angesehen werde, betonen die Leitartikler.

In seiner Wochenkolumne für das regierungsnahe Magazin Demokrata verteidigt Gábor Bencsik die ungarische Haltung gegenüber der Ukraine und macht geltend, dass die vorherrschende westliche Haltung zwar auf moralischen Prinzipien beruhe, aber die Wirklichkeit ausblende: Es sei absolut unmöglich, Russland aus sämtlichen annektierten Territorien der Ukraine zu vertreiben. Folglich verursache der von den westlichen Führungsmächten eingeschlagene Kurs immer mehr Opfer und Zerstörungen, ohne dass für die Ukraine auch nur die geringste Aussicht auf einen Sieg über Russland bestehe. Unter diesen Bedingungen, so schlussfolgert Bencsik, wäre es aus moralischer Perspektive sogar die Pflicht des Westens, Wege zu einem möglichst baldigen Waffenstillstand auszuloten.

Mit Blick auf ein anderes Ereignis aus der zurückliegenden Woche widerspricht Zoltán Lakner von Jelen führenden Oppositionspolitikern, darunter dem ehemaligen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten, Péter Márki-Zay, der die Einladung zum sogenannten „Tranzit“-Festival des Fidesz am Plattensee angenommen hatte. Laut Lakner dient ihre Anwesenheit bei einigen Diskussionsveranstaltungen mit Regierungsfunktionären lediglich dazu, den Anschein von Demokratie zu erwecken, während die führenden Köpfe des Regimes in der Regel nicht an solchen Debatten teilnehmen und darüber hinaus der Opposition nahestehenden Journalisten auch keine aussagekräftigen Interviews geben würden. Selfies mit „den Vertretern einer Autokratie“ zu machen, sei für Oppositionspolitiker selbstzerstörerisch, doziert Lakner.

In einem noch polemischeren Artikel für die Wochenzeitung Élet és Irodalom beschreibt István Tömpe das Wesen des derzeitigen Regimes als „Reformfaschismus“ und wirft der Opposition vor, dass sie in ihm eine Außenseiterrolle spiele. Der Autor – vor der Wende des Jahres 1990 der letzte Chef der Privatisierungsagentur – räumt zwar ein, dass es im Gegensatz zu klassischen Diktaturen keine politischen Gefangenen und keinen physischen Terror gebe. Doch könne das Regime auf derlei Dinge verzichten, da sich der größte Teil der Bevölkerung mit dem scheinbar Unabänderlichen arrangiere. Die einzige Hoffnung beruhe auf kleinen lokalen Protesten, die den Geist des Widerstands am Leben erhielten, notiert Tömpe.

Der der Regierung nahestehende Philosoph András Lánci glaubt ebenfalls, dass in Ungarn keine wirkliche Opposition existiere. Die Ursache dafür, so Lánci in Mandiner, liege in der Tatsache, dass die mit der Politik des Ministerpräsidenten Unzufriedenen nicht einmal versuchen würden, ein Programm zu präsentieren. Ganz zu schweigen von einer Vision, wohin sich die Menschheit entwickeln werde. Anders dagegen der Ministerpräsident, der auf globaler Ebene politisch aktiv sei und mit den Ungarn sowie der Welt über die Energieversorgung, die Veränderungen in den Beziehungen zwischen den Großmächten, die Kontinente übergreifende Migration sowie die gefährlichen demografischen Prozesse spreche. Im Gegensatz dazu beschränkten sich die Chefs der verschiedenen Oppositionsgruppen darauf, sich als Grüne, Linke oder Konservative zu definieren und Botschaften zu unbedeutenden Themen zu verbreiten. Jede Politik habe nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sie eine tiefgreifende moralische und intellektuelle Kraft zum Ausdruck bringe. Andernfalls, so Lánczi, werde die Mehrheit ihr nicht einmal zuhören.

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