Worin liegt das Erfolgsgeheimnis des Fidesz?
18. Sep. 2023In den Wochenzeitungen führen einige Kommentatoren die anhaltenden Wahlerfolge der Regierung auf die Schwäche der Opposition zurück. Andere dagegen machen dafür ihr Bemühen um die Fortsetzung eines anhaltenden Trends in der politischen Geschichte Ungarns verantwortlich.
In Élet és Irodalom vertritt der ehemalige liberale Oberbürgermeister von Budapest, Gábor Demszky, die Auffassung, dass Ministerpräsident Viktor Orbán seine vierte Amtszeit in Folge der Schwäche der Opposition zu verdanken habe. Der von 1990 bis 2006 fünf Legislaturperioden regierende Ex-OB beschreibt ausführlich, wie er zwischen 1998 und 2002 einen harten Kampf gegen die erste Orbán-Regierung geführt und schließlich zu deren Niederlage beigetragen habe. Seinem Nachfolger empfiehlt er das gleiche Rezept. Alles hänge von der Entschlossenheit der in Oppositionshand befindlichen Städte ab. Sie sollten ihre eigenen Medien etablieren und eine unablässige politische Kampagne führen, in der die Korruption angeprangert werde. Dabei solle der Oberbürgermeister von Budapest eine zentrale Figur dieses Kampfes sein, so Demszky. Zudem müsste er pausenlos die Intelligenz der Hauptstadt, die ungarischen Akademiker sowie die Vertreter von Weltbank und Europäischer Investitionsbank konsultieren. Dieses Rezept habe sich schon einmal bewährt und sollte befolgt werden, „damit wir nicht noch tiefer im Sumpf der Parteipolitik versinken“.
Für Róbert Puzsér präsentiert sich die derzeitige Situation in der ungarischen Politik als die Fortschreibung eines bekannten historischen Musters von sich viele Jahre an der Macht haltenden monolithischen Regimes. Als ein erstes derartiges Beispiel verweist der unabhängige Publizist in Magyar Hang auf die Habsburger Kaiserin Maria Theresia im 18. Jahrhundert, nachdem die Ungarn acht Jahre lang erfolglos für ihre Unabhängigkeit von der Herrschaft Österreichs Krieg geführt hatten. Das zweite Beispiel sei das von Franz Joseph nach der Niederschlagung der ungarischen Revolution und des Unabhängigkeitskrieges von 1848/49 gewesen. Das dritte monolithische Regime habe nach dem Ersten Weltkrieg Reichsverweser Miklós Horthy, das vierte der kommunistische Parteichef János Kádár nach der Niederschlagung der ungarischen Revolution von 1956 durch sowjetische Truppen angeführt. Sämtliche dieser Regimes hätten die Unmöglichkeit von bedeutenden Veränderungen manifestiert, und die Bevölkerung habe sich allmählich daran gewöhnt, von einer mächtigen Führerpersönlichkeit regiert zu werden. Nach zwei Jahrzehnten des demokratischen Übergangs vom Kommunismus, so Puzsér, sei Ministerpräsident Orbán zu diesem alten „feudalen Modell“ zurückgekehrt.
In einem Mandiner-Artikel vergleicht auch Márton Békés die lange und andauernde Amtszeit des Ministerpräsidenten mit früheren Perioden in der ungarischen Geschichte, namentlich der so genannten Reformära von 1825 bis 1840. Damals habe sich eine autonome politische Klasse in Ungarn als Vertreterin der Interessen des Landes gebildet. Es folgten die 50 Jahre der österreichisch-ungarischen Monarchie im Vorfeld des Ersten Weltkriegs und schließlich die Zwischenkriegszeit. Die beiden letztgenannten seien von einer starken, geeinten Regierungspartei unter der Führung eines charismatischen Staatsmannes getragen worden, unterstreicht Békés. Beide hätten sich einer hilflosen Opposition gegenübergesehen, die ihnen Korruption und zentralisierte Entscheidungsfindung vorgeworfen habe. Beide Regimes, die der Autor als Vorgänger der aktuelle Regierung betrachtet, hätten ebenfalls tiefgreifende und lang anhaltende kulturelle Veränderungen bewirkt.
Im Fidesz-treuen Wochenmagazin Demokrata merkt Gábor Bencsik an, dass eine 13 Jahre ununterbrochen amtierende Regierung in der europäischen Landschaft eine Ausnahme darstelle. Die Erklärung dafür sieht er in dem Bestreben des Fidesz, „nach dem Gefallen der Mehrheit“ zu regieren. Die meisten Bürger betrachteten ihre in den Nachbarländern lebenden magyarischen Mitbürger als Teil der nationalen Gemeinschaft. Auch offeriere die Regierung den Menschen eher Arbeitsmöglichkeiten als Sozialhilfe. Laut Bencsik wollen die Ungarn, dass die Regierung die Kirchen unterstütze, anstatt sie anzugreifen; sie wollen, dass Ungarn souverän sei und für seine Unabhängigkeit einstehe. Darüber hinaus teilten die meisten Menschen die Überzeugung, dass Väter Männer und Mütter Frauen seien, und wünschten, dass ihre Politiker diese Ansicht verträten. In Anspielung auf den Krieg in der Ukraine erwähnt Bencsik schließlich, dass der Großteil der Bevölkerung Frieden wolle und möchte, dass die Regierung im Sinne des Frieden handele. Die Regierungsparteien hätten das verstanden, während die Opposition glaube, sie müsse sich lediglich dem widersetzen, was die Regierung sage oder tue. Damit, so Bencsik, stünden sie in Opposition zur Mehrheit der Bevölkerung.
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