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Wie fest sitzt die ungarische Regierung im Sattel?

30. Oct. 2023

Die Meinungen zu diesem Thema sowie zu den Aussichten der Opposition, in absehbarer Zeit eine Wahl zu gewinnen, gehen weit auseinander.

In Jelen äußert sich Attila Ágh überzeugt, dass das von Ministerpräsident Viktor Orbán während der letzten 13 Jahre errichtete Regime in nicht allzu ferner Zukunft zusammenbrechen werde. Der erfahrene Politologe beschreibt die vergangenen 13 Jahre als eine Abfolge von Ereignissen, durch die die Regierung ihre Vorherrschaft über die meisten Bereiche des öffentlichen Lebens – angefangen bei der Politik über die Wirtschaft bis hin zur Kultur – ausgeweitet habe. Im Ergebnis sei in Ungarn eine regelrechte Autokratie errichtet worden. Kein Wunder, so fährt Ágh fort, dass sich Regierung und Europäische Union ständig in den Haaren liegen würden, da Brüssel auf vollkommen anderen Werten gründe. Weil jedoch so viele Lebensbereiche unter staatlicher Kontrolle stünden, sei ein effizientes Regieren unmöglich geworden, behauptet Ágh und schlussfolgert, dass das Regime daher dem Untergang geweiht sei.

In seinem Leitartikel für Élet és Irodalom wirft Chefredakteur Zoltán Kovács Ministerpräsident Orbán vor, er habe Ungarn seit seiner Amtsübernahme schlecht regiert. Er führt Statistiken der Europäischen Union zum BIP pro Kopf der Bevölkerung an. Demnach lägen in dieser Hinsicht nur noch fünf der insgesamt 27 EU-Mitgliedsländer hinter Ungarn. Beispielsweise habe Polen Ungarn schon vor vielen Jahren überflügelt – und neuerdings würden sogar in Rumänien mehr Waren pro Kopf erzeugt als bei uns, notiert Kovács und fragt, ob man die seit 13 Jahren an der Macht befindliche Regierung samt ihres Chefs dafür verantwortlich machen könne.

In einem Artikel für Mandiner räumt Tibor Matus ein, dass Rumänien beim Pro-Kopf-BIP inzwischen vor Ungarn rangiere und seine rumänischen Kollegen gar hoffen, dass das Land bis 2025 zu Polen aufschließen werde. Zur Jahrtausendwende habe das rumänische Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt nur ein Viertel des EU-Durchschnitts betragen, während es jetzt bei über 70 Prozent des mittleren Unionsniveaus liege, schreibt der Experte im Bereich Makroökonomie. Allerdings verweist er auch darauf, dass das rasche Wachstum der letzten beiden Jahrzehnte mit einem starken Anstieg des Defizits der öffentlichen Haushalte einhergegangen und die rumänische Handelsbilanz ebenfalls in die roten Zahlen abgeglitten sei. Diese Diskrepanzen, so seine Schlussfolgerung, könnten die Nachhaltigkeit des rumänischen Wachstums gefährden.

Gábor Bencsik von der regierungstreuen Wochenzeitschrift Demokrata konzediert, dass Ungarn mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten ringe und noch einige Jahre lang damit zu kämpfen haben werde, die Wirtschaft wieder in die richtige Spur zu befördern. Gleichzeitig stellt er die Frage in den Raum, weswegen die Opposition unter diesen Bedingungen nicht an Popularität habe zulegen können, wie es in wirtschaftlich schwierigen Zeiten allgemein üblich sei. Genau das sei ja in Polen geschehen, wo die Rechtsregierung Mitte Oktober die Wahlen verloren habe. Bencsiks Antwort lautet: Die Menschen, die sonst nach einer Alternative zur amtierenden Regierung suchen, würden niemanden sehen, dem sie die Führung ihres Landes anvertrauen könnten. Die Mehrheit des Wahlvolkes werde die hiesigen Regierungsparteien weiterhin unterstützen – und zwar solange sie keine bessere Alternative auf der politischen Bühne Ungarns erkennen könne, sagt Bencsik voraus.

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