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Gedenken zum 15. März: 1848er-Revolution und Ukraine-Krieg im Spiegel der Wochenpresse

18. Mar. 2024

Wie alljährlich zum 15. März versuchen Kommentatoren, die Lehren aus der Revolution von 1848 auf die Gegenwart zu übertragen.

In seiner Feiertagsrede vom vergangenen Freitag bezeichnete Ministerpräsident Viktor Orbán die Bewahrung der nationalen Souveränität als das wichtigste Vermächtnis von 1848. Ungarn werde sich in diesem Sinne gegen ausländische Versuche wehren, „unsere Kinder umzuerziehen, Ungarn Massen von Einwanderern aufzuzwingen und uns unter Druck zu setzen, im Krieg in der Ukraine mitzumischen“, erklärte der Regierungschef. Die Schattenministerpräsidentin aus den Reihen der Demokratischen Koalition, Klára Dobrev, warf Orbán vor, Ungarn vom vielversprechendsten Land des ehemaligen Sowjetblocks in ein Land verwandelt zu haben, das den anderen hinterherhinke. Péter Magyar, der geschiedene Ehemann der ehemaligen Justizministerin Judit Varga, verkündete seine Absicht, eine Partei der politischen Mitte zu gründen. Dabei konnte der Politik-Neuling eine überraschend große Menschenmenge versammeln – deutlich mehr als die Teilnehmerzahl bei Kundgebungen der Oppositionsparteien.

In Élet és Irodalom beklagt János Széky, dass es Ungarn derzeit an Menschen wie die Revolutionäre vor 176 Jahren mangele. Sie hätten in Theorie und Praxis gewusst, wie ein blühendes europäisches Land aussehe – frei von Tyrannei und basierend auf liberaler Interessenvertretung des Volkes und Marktwirtschaft. Daher habe sich in Ungarn eine einzigartige Situation entwickelt, in der ein Regierungswechsel unmöglich sei, „zumindest bis irgendwann um 2174“, orakelt der Kolumnist des Wochenmagazins.

Milán Constantinovits von Mandiner vertritt ebenfalls, aber doch in ganz anderer Hinsicht, die Auffassung, dass die Opposition die Lektion von 1848 – oder der Revolution des Jahres 1956 oder des Regimewechsels von 1989 – nicht gelernt habe. Sie gestehe nämlich nicht ein, dass die Einschränkungen der nationalstaatlichen Ellenbogenfreiheit, diesmal durch Brüssel, nicht hingenommen werden dürfe. Solange darüber kein nationaler Konsens bestehe, sei das Erbe der Vergangenheit nicht tief in ungarischen Seelen verwurzelt, lautet das Fazit des Autors.

Szabolcs Szerető hingegen wirft den Regierenden vor, sie hätten das Erbe von 1848 vergessen. Tatsächlich, so erklärt der Kolumnist von Magyar Hang, weigerten sich ihre Vertreter, den russischen Dissidenten Alexej Nawalny nach dessen Tod in einer russischen Haftanstalt im Februar dieses Jahres zu ehren. Menschen, die sich über jemanden lustig machten, der sein Leben für seine Überzeugungen geopfert habe, könnten sich nicht für Erben der Revolutionäre des 19. Jahrhunderts halten.

Im regierungsnahen Magazin Demokrata verteidigt Gábor Bencsik die Ansicht der Regierung, dass es keine militärische Lösung für den Krieg in der Ukraine geben könne. Der Publizist hält es für unmoralisch, von den Menschen Opfer für ein Ziel zu verlangen, das einfach nicht zu erreichen sei. In seinen Augen ist es offensichtlich, dass Russland weder in die Knie gezwungen werden könne noch die gegen das Moskau verhängten Sanktionen greifen würden. Er pflichtet demzufolge Papst Franziskus bei, der die Staatslenker aufgerufen hatte, den Mut zum Hissen der weiße Fahne und zu Verhandlungen aufzubringen.

Mihály Bak wiederum hält es für machbar, dass die demokratische Welt den Krieg der Ukraine gegen die russische Aggression finanziere. Deutschland müsste dafür nur 0,8 Prozent des BIP aufbringen, die USA und Großbritannien etwa die Hälfte davon, notiert Bak im liberalen Wochenmagazin Magyar Narancs. Da der Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg eine Steigerung der Produktion in den Bereichen Technologie und Bau um fast 500 Milliarden Dollar erfordern würde, sei die Unterstützung der Ukraine nicht nur eine Investition in die Sicherheit des Westens, sondern auch in sein wirtschaftliches Wohlergehen.

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