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Im Spiegel der Wochenpresse: 20 Jahre EU-Mitgliedschaft Ungarns sowie die kommenden Europawahlen

6. May. 2024

Linksliberale Stimmen kritisieren die konfrontative Haltung der Regierung gegenüber der Europäischen Union, während ihre Kollegen aus dem gegnerischen Lager hoffen, dass die Wahlen im Juni zu politischen Veränderungen in Brüssel führen werden.

In Heti Világazdaság zieht István Riba eine insgesamt positive Bilanz der ungarischen EU-Mitgliedschaft, allerdings mit der Einschränkung, dass Ungarn in Bezug auf den Lebensstandard auf dem vorletzten Platz rangiere, nur knapp vor Bulgarien. Für den Autor ist es bedeutsam, dass in den vergangenen 20 Jahren die Zugehörigkeit zu Europa für die meisten Ungarn zu einem Teil ihrer Identität geworden sei. Der Anteil der Bürger, die sich sowohl für Ungarn als auch für Europäer hielten, sei von 33 auf 64 Prozent gestiegen, wobei weitere elf Prozent die umgekehrte Option „Europäer und Ungar“ wählten.

Im Wochenmagazin Magyar Narancs wirft Péter Heil, der leitende für EU-Fragen zuständige Experte der Demokratischen Koalition, den Regierenden vor, den wichtigsten europäischen Werten den Rücken zuzuwenden. In einem ausführlichen Artikel schreibt Heil, dass Ungarn im Falle eines heute gestellten EU-Beitrittsantrags mit Sicherheit abgelehnt werden würde. Infolgedessen halte die Europäische Union mindestens zwei Drittel der für Ungarn bestimmten Mittel zurück. Nach Ansicht Heils können sich die Beziehungen zu Brüssel nur verbessern, wenn sich Ungarn seiner aktuellen Regierung entledige.

Der frühere linksorientierte Außenminister und EU-Kommissar Péter Balázs weist die angekündigte Absicht von Regierungschef Viktor Orbán, „Brüssel zu besetzen“, als völlig unrealistisch zurück. Seine rechtsradikalen Verbündeten, so Balázs in einem Gastbeitrag für die Wochenzeitung Élet és Irodalom, würden als Folge der Wahlen im Juni keine leitenden Positionen innerhalb der Europäischen Union erobern. Eine andere Regierung, so Balázs, könnte die Rolle Ungarns als turnusmäßiger Präsident der Union in der zweiten Jahreshälfte 2024 nutzen und das Ansehen des Landes in der Gemeinschaft aufpolieren. Orbán und sein Kabinett jedoch hätten es mit zu vielen Streitereien zu tun, um dies zu realisieren.

Der Fidesz könne realistischerweise auf einen weiteren fulminanten Sieg bei den Wahlen zum Europäischen Parlament hoffen, notiert János Reichert in Magyar Hang. Die Behauptung der Regierung, der Fidesz sei die einzig mögliche Option für Wähler, die Frieden in Europa wollen, weist er als verlogen zurück, räumt jedoch ein, dass solche Parolen durchaus ihre Wirkung entfalten könnten. Zudem glaubt Reichert, dass die 50.000 Aktivisten, die die Regierungspartei für ihre Kampagne mobilisieren wolle, einen massiven Vorteil gegenüber der Opposition darstellen würden. Er vermutet, dass diese Aktivisten für ihre Arbeit bezahlt würden.

Auf der regierungsnahen Seite macht der Europaabgeordnete Ernő Schaller-Baross einen Gesinnungswandel innerhalb der EU-Führung für die Verschlechterung der Beziehungen zwischen den Spitzengremien der Union und Ungarn verantwortlich. Die Entscheidungsträger in Brüssel hätten vergessen, dass es die Aufgabe der europäischen Gemeinschaft sei, den Mitgliedsländern zu dienen – und nicht umgekehrt, erklärt der Parlamentarier in Mandiner. Die europäischen Wähler sollten einen Sieg derjenigen Kräfte unterstützen, die Krieg und illegale Einwanderung ablehnen, und die für die Belange der Nationen und nicht für die Interessen von Brüssel eintreten würden, rät Schaller-Baross.

In Hetek, der Wochenzeitung der Hit Gyülekezete, einer großen evangelikalen Glaubensgemeinschaft, vertritt Péter Morvay die Ansicht, dass die Europäische Union in den vergangenen zwei Jahrzehnten begonnen habe, Mitgliedstaaten aus ideologischen Gründen zu bestrafen, anstatt Gleichberechtigung, wirtschaftliche Stabilität und Frieden zu fördern. Darüber hinaus diene Brüssel „externen Interessen“ und versuche, den eigenen Zuständigkeitsbereich bis ins Unendliche auszudehnen. Die europäischen Bürger hätten alle fünf Jahre die Möglichkeit, ihre Meinung zu diesen Themen zu äußern. Diese Chance sollten sie jetzt nutzen, fordert Morvay.

In seinem Demokrata-Leitartikel behauptet András Bencsik, dass sich einflussreiche europäische Politiker auf einen dritten Weltkrieg, zumindest jedoch auf eine brutale militärische Krise vorbereiten würden, die zu einem gesamteuropäischen Flächenbrand führen könnte. Die meisten Menschen befürworteten „Normalität“, so Bencsik weiter, und Ungarn habe in den letzten 14 Jahren bewiesen, dass sie mit demokratischen Mitteln eine politische Mehrheit bilden könnten. Als ein Zeichen von „Normalität“ benennt Bencsik den anstehenden Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Ungarn.

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