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Erinnerung an den Fall des Eisernen Vorhangs

23. Aug. 2014

Mit Blick auf das vor 25 Jahren veranstaltete Paneuropäische Picknick, das Hunderte DDR-Bürger zur Flucht in den Westen nutzten, vertritt ein regierungsfreundlicher Kommentator die Ansicht, dass die Ungarn 1989 unrealistische Hoffnungen mit der Wende verknüpft hatten. Zudem glaubt er, dass der Westen die ungarische Souveränität stärker respektieren sollte. Ein Kolumnist des linken Spektrum bezichtigt Ministerpräsident Orbán, er habe erneut die liberale Demokratie kritisiert.

Ungarn habe sich seit dem Niedergang des Kommunismus zu einem freien Land entwickelt, müsse aber nach wie vor Inflation, Staatsverschuldung und Arbeitslosigkeit bekämpfen. Das sagte Ministerpräsident Viktor Orbán am Dienstag anlässlich einer Konferenz zur Erinnerung an den Fall des Eisernen Vorhangs vor 25 Jahren in Sopronkőhida an der Grenze zu Österreich. Der Regierungschef fügte hinzu, dass Ungarn weder westlichen noch östlichen Vorbildern nacheifern könne, um die aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen zu bewältigen. „Wir Ungarn sind Teil der christlichen Welt und werden durch die Liebe zur Freiheit motiviert. Demzufolge müssen wir ein anderes wirtschaftliches und politisches System aufbauen“ als Russland, China oder Japan, konstatierte Orbán, fügte jedoch hinzu, dass man nicht einfach westliche Modelle kopieren könnte, da diese Länder ebenfalls um die Überwindung ihrer eigenen massiven systemischen Herausforderungen ringen würden.

Fünfundzwanzig Jahre nach dem Paneuropäischen Picknick frage man sich schon, ob es sich gelohnt habe, den Kommunismus zu Fall zu bringen, schreibt Dávid Megyeri in Magyar Nemzet. Der Kolumnist aus dem regierungsfreundlichen Lager glaubt, dass die Ungarn unrealistisch hohe Erwartungen gehegt und gehofft hätten, dass durch den demokratischen Übergangsprozess rasch westliche Lebensstandards erreicht würden. „Seit dieser Zeit sind unsere Hoffnungen deutlich bescheidener geworden.“ Die Ungarn erwarteten nicht mehr länger sofortigen westlichen Wohlstand, erwarteten aber vom Westen nach wie vor Fairness. Dazu sollte auch das Recht einer Entscheidung darüber gehören, ob sie eine liberale oder eine konservative Demokratie bevorzugen würden, gibt sich Megyeri überzeugt.

In Népszabadság stellt Ferenc Hajba fest, dass sich Ministerpräsident Orbán in seiner Rede verschiedener Begriffe bedient, im Grunde jedoch die illiberale Vision seiner Äußerungen in Băile Tușnad wiederholt habe (vgl. BudaPost vom 4. August). Laut dem linksorientierten Experten habe Orbán – obgleich den Begriff „illiberal“ diesmal vermeidend – zu erkennen gegeben, dass die Idee eines „dritten Weges“, der vor 25 als Unsinn erschien, nunmehr ernst genommen werde. Dies sieht der Korrespondent als Beleg dafür an, dass der Ministerpräsident die liberale institutionelle Gewaltenteilung als unnötige Einschränkung seiner Regierung betrachte.

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