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Orbán kritisiert Sanktionen gegen Russland

18. Aug. 2014

Linke Kommentatoren bezichtigen Ministerpräsident Orbán, er ergreife mit Blick auf die Auseinandersetzung um die Ukraine für den russischen Präsidenten Wladimir Putin Partei. Ein Analyst des rechten politischen Spektrum wiederum empfiehlt Ungarn in diesem Zusammenhang den Vollzug eines Drahtseilakts.

In Népszava bemerkt der stellvertretende Chefredakteur János Dési trocken, Orbán habe Recht gehabt mit seiner Äußerung, „wir haben uns ins eigene Knie geschossen“. Allerdings hätten wir das „mit der Wahl Orbáns“ getan, nicht aber mit der Verhängung von Sanktionen gegen Russland, die laut Orbán eher uns als Putin schadeten. Sanktionen und Gegensanktionen würden sich gewiss negativ auf Ungarn auswirken, allerdings unvergleichlich weniger negativ als ein langwieriger Krieg in unserer Nachbarschaft, stellt der linksorientierte Journalist fest. Zudem glaubt Dési, der Ministerpräsident habe im Westen „eine neue Front eröffnet“ und riskiere letzten Endes auch von dieser Seite her Sanktionen. Unter diesen Bedingungen, so der Autor, sei es seitens der linken Parteien besonders unverantwortlich, „wenn sie ihre Zeit damit verschwenden, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen“. (Zu den internen Streitigkeiten im linken politischen Spektrum angesichts der bevorstehenden Kommunalwahlen vgl. BudaPost vom 14. August. Seitdem haben sich die drei Parteien in allen strittigen Fragen einigen können, mit Ausnahme des XIII. Budapester Bezirks. Hier wurde der ursprüngliche Plan der Nominierung von gemeinsamen Kandidaten für die Stadtbezirksversammlung aufgegeben. Allerdings wurde beschlossen, dass keiner der am Bündnis beteiligten Kräfte gegen den amtierenden Stadtbezirksbürgermeister József Tóth (MSZP) antreten wird – Anm. d. Red.)

Von Bratislava aus schreibt József Szilvássy für die linksliberale Tageszeitung Népszabdadság und wirft den Sanktionskritikern vor, sie würden mit ihrer Haltung eine weitere territoriale Ausdehnung Russlands befördern. Er stimmt den slowakischen Liberalen in ihrer vehementen Kritik am linksorientierten Ministerpräsidenten Robert Fico zu, der die Sanktionen als unglücklich und für die Slowakei schädlicher als für Russland bezeichnet hatte. (In seinem Rundfunkinterview hatte Orbán seine Bemerkung über den Schuss ins eigene Knie mit der Zustimmung zur Stellungnahme seines slowakischen Amtskollegen verknüpft – Anm. d. Red.) Szilvássy verweist im Folgenden auf die Tatsache, dass Orbán und Fico in der Person des tschechischen Regierungschefs Bohuslav Sobotka einen dritten Mitstreiter hätten, der sich hinsichtlich der Sanktionen in der selben Tonlage geäußert habe wie seine zwei Kollegen aus Bratislava und Budapest. Der Autor äußert die Befürchtung, dass die Krim möglicherweise lediglich die erste Etappe einer langen Reise gewesen sei, die Putin zu „ungenannten weiteren Zielen“ führen könnte. Das sei, so Szilvássy, „des Pudels Kern“. Kritiker der Sanktionen sähen „in Putin eher ein Vorbild als einen Aggressor“, argwöhnt der Népszabadság-Autor.

In einer separaten Népszabadság-Kolumne geht Gábor Miklós so weit zu behaupten, dass es sich bei den Gegnern von Sanktionen – obgleich hinter der Front – möglicherweise um russische Agenten handeln könnte. Er beschreibt das Geschehen als einen Widerspruch. Da beteilige sich Ungarn als EU- und NATO-Mitglied an den Sanktionen, während unser Ministerpräsident „innig-freundschaftliche Beziehungen“ zu Putin hege, „geheime Verträge mit ihm“ abschließe und „die Positionen der Ukraine schwächt, wenn sich ihm die Gelegenheit dazu bietet“. Mit Worten des liberalen russischen Politikers Grigori Jawlinski stellt Miklós fest, Putin habe als ehemaliger KGB-Mitarbeiter zwei Dinge gelernt: Sondereinsätze und die Anwerbung von Agenten. „Er hat extremistische nationalistische Gruppierungen einerseits sowie geachtete Politiker und Regierungen in der EU andererseits gekauft“, resümiert Miklós.

Wie die Nato ganz allgemein so habe auch Ungarn ein ureigenes Interesse an einer stabilen und zukunftsfähigen Ukraine in seiner östlichen Nachbarschaft, stellt József Borbéky in Magyar Hírlap fest. Bei dem ganzen Konflikt gehe es um die „Atlantik-Region“, die Russland von Mitteleuropa weg immer weiter nach Osten zu drängen suche. Natürlich werde es auch Ungarn besser gehen, wenn eine gewaltig überdimensionierte Supermacht auf deutlichem Abstand bliebe, glaubt der Autor. Allerdings setze dies die Existenz einer stabilen und lebensfähigen Ukraine voraus. Solange aber die Frage der Millionen ethnischer Russen in der Ostukraine nicht gelöst sei, werde Stabilität für die Ukraine ein Traum bleiben, ist Borbély sicher. Er zitiert Alexander Solschenizyn, der unmittelbar nach der Implosion der Sowjetunion Konflikte in dem Gebiet sowie in zahlreichen anderen Grenzregionen prophezeit hatte. Laut Solschenizyn bestehe das Problem darin, dass die UdSSR entlang der von der kommunistischen Sowjetführung gezogenen künstlichen Grenzen zerfallen sei, wobei sich 25 Millionen ethnische Russen jenseits der Grenzen Russland wiedergefunden hätten.

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