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Führende Tageszeitungen zur Orbán-Rede in Tușnad

26. Jul. 2016

Linksorientierte Kolumnisten bewerten die Äußerungen des ungarischen Ministerpräsidenten als missverständlich. Ein der Regierung nahestehender Kommentator dagegen vertritt die Ansicht, Orbán habe in Băile Tușnad (Tusnádfürdő) eine klare Analyse und einen plausiblen Vorschlag zur Überwindung der zahlreichen Krisen in Europa geliefert. Ein Publizist der politischen Mitte glaubt, Ministerpräsident Orbán könnte zu einem der neuen führenden Politiker in der EU avancieren.

In ihrem traditionellen Leitartikel auf der Titelseite diagnostiziert Népszabadság, dass die Rede von Regierungschef Orbán (vgl. BudaPost vom 25. Juli) voller Widersprüche gewesen sei: So habe Orbán einerseits die Zentralisierung der EU scharf angegriffen, jedoch andererseits eine gemeinsame europäische Armee gefordert. Auch die gegen Eliten und das Establishment gerichteten Botschaften des Ministerpräsidenten hält die führende linke Tageszeitung für widersprüchlich, gehöre Viktor Orbán doch selbst zu den politischen Eliten Europas.

György Sebes von der linksgerichteten Népszava räumt ein, dass Ministerpräsident Orbán eine schlüssige sowie glaubwürdige Analyse der politischen, ökonomischen, sozialen und Sicherheitskrise in Europa vorgelegt habe. Allerdings sei Orbán mit Blick auf die von ihm präsentierten Lösungsansätze für die zahlreichen Krisen Europas von seinem politischen Selbst mitgerissen worden. Anstatt nun also aussagekräftige Lösungen anzubieten, habe er die Gelegenheit genutzt, um im Vorfeld des Referendums vom 2. Oktober gegen die von der EU geplante Umverteilung von Migranten Wahlkampf zu treiben, kritisiert Sebes.

Ferenc Kiss stimmt dem Ministerpräsidenten zu, dass Ungarn und die Visegrád-Staaten zur Vorhut des neuen Europa werden könnten, wo sich Sicherheit und Stabilität zu den politischen Kernprinzipien entwickeln würden. Nach Ansicht des Journalisten der regierungsnahen Magyar Idők wird sich die EU ohne die von Orbán avisierte europäische Armee nicht zu einem wichtigen globalen Akteur entwickeln können. Ausdrücklich pflichtet Kiss Orbáns Analyse bei, dass die europäischen Staaten zwecks Stopp der unkontrollierten Migration und im Sinne einer verstärkten Sicherheit ihre Grenzen schützen müssten und dabei auch vor rigorosen Maßnahmen nicht zurückschrecken dürften. Sollte es Europa nicht gelingen, die Massenmigration zu unterbinden – die nach Ansicht des Kommentators lediglich den wirtschaftlichen Interessen der USA und einiger anderer EU-Staaten diene –, könnten die europäischen Völker bald in ihren eigenen Heimatländern ausgelöscht werden, fürchtet Kiss.

In Magyar Nemzet interpretiert Albert Gazda die Rede des Ministerpräsidenten als Hinweis darauf, dass sich Viktor Orbán zu einem noch bedeutenderen Akteur auf der europäischen Bühne mausern wolle. Der in der politischen Mitte beheimatete Gazda erinnert daran, dass der Fidesz schon immer eine pragmatische und in gewisserm Maße auch opportunistische Strategie verfolgt habe. Wann immer im politischen Raum ein Vakuum sichtbar geworden sei, habe es der Fidesz ausgefüllt – selbst auf Kosten einer ideologischen Kehrtwende. In seiner Rede habe sich Orbán ein Europa ausgemalt, in dem sicherheits- und bevölkerungspolitische Herausforderungen über liberale Erwägungen triumphierten, spekuliert Gazda. Sollte Orbán mit seiner Vorhersage Recht behalten und die politischen Ansichten und Tendenzen bewegten sich tatsächlich wie von Orbán erwartet, könnte er letztendlich einer der Führungspersönlichkeiten in diesem neuen Europa werden, vermutet Gazda.

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