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Die politische Landschaft nach dem Referendum

10. Oct. 2016

Die Kommentatoren aller politischen Lager beleuchten die Auswirkungen des Quotenreferendums vom 2. Oktober auf die wichtigsten Parteien samt deren Mobilisierungsstrategien.

Der Fidesz könne besiegt werden, falls sich Opposition und NGOs gegen ihn verbünden würden, lautet für den Chefredakteur von Népszava, Péter Németh, die aus dem Referendum zu ziehende Lehre. Der linksorientierte Journalist fordert eine breit angelegte Koalition sämtlicher Oppositionsparteien und der Zivilgesellschaft, um gemeinsam „eine zutiefst korrupte Regierung“ schlagen zu können. Ebenfalls in Népszava interpretiert auch Szabolcs Szunyogh das Referendum als Erfolg der Oppositionsparteien. Allerdings fügt er hinzu, dass, um den Fidesz herauszufordern, sie glaubwürdige Antworten auf die Probleme der Migration würden anbieten müssen.

Róbert Puzsér von Magyar Nemzet dagegen glaubt, dass das Referendum Ministerpräsident Viktor Orbán zur weiteren Festigung seiner Macht dienen werde. Der in der politischen Mitte beheimatete Kolumnist bewertet die Kampagne im Vorfeld des Referendums als extrem demagogisch. Allerdings räumt er auch ein, dass Orbán seine eigene Basis durch eine Mobilisierung von über 3,2 Millionen Wahlberechtigen nicht nur auf die Beine gebracht, sondern auch noch ausgebaut habe. Indem sich der Fidesz des Migrationsthemas angenommen habe, habe er Jobbik den Wind aus den Segeln genommen und die das Referendum ablehnenden linken Oppositionsparteien isoliert, notiert Puzsér.

Das Referendum habe dem Fidesz dabei geholfen, die öffentliche Aufmerksamkeit von der Korruption abzulenken, urteilt Attila Janisch in Magyar Narancs. Der liberale Filmregisseur interpretiert das Referendum jedoch als einen mächtigen Schlag für den Fidesz, da die Beteiligung unter der für die Gültigkeit notwendigen Schwelle von 50 Prozent geblieben sei. Janisch glaubt, dass die Ungarn zunehmend unzufrieden mit dem Fidesz seien, doch erwiesen sich die gegenwärtigen Linksparteien nicht in der Lage, diese Unzufriedenheit zu kanalisieren. Eine Herausforderung des Fidesz durch die Linke hält der Autor für unwahrscheinlich. Janisch spekuliert, dass angesichts der Nichtexistenz einer starken Linken Ministerpräsident Orbán Ungarn aus der EU führen und sich das Land sehr bald zu einer regelrechten Diktatur entwickeln werde.

„Weder die Linke noch Jobbik haben irgendetwas zu feiern“, befindet Zolt Bayer in Magyar Hírlap. Bayer rechnet anhand des Referendumsergebnisses vor, dass die Fidesz-Basis neben den 2,3 Millionen Wählern des Urnengangs 2014 um weitere 600- bis 700-Tausend angewachsen sei. Der regierungsfreundliche Kommentator äußert die Hoffnung, dass die Linke auf die den Regierungsvorschlag unterstützenden Wähler wütend sein und damit das regierungsfreundliche Lager mobilisiert bleiben werde.

In ähnlichem Sinne äußert sich András Bencsik von Magyar Demokrata. Sollte die Opposition keine Kehrtwende vollziehen und aus Trotz weiterhin alles ablehnen, was Ministerpräsident Orbán vorschlage, könnte der Fidesz bei den Parlamentswahlen 2018 mit Hilfe der 3,3 Millionen Ungarn, die am Sonntag mit „Nein“ gestimmt hätten, möglicherweise 90 Prozent der Sitze in der Volksvertretung gewinnen, spekuliert der Chefredakteur der konservativen Wochenzeitung.

In Heti Válasz äußert András Zsuppán die Vermutung, dass die Regierung diejenigen Hunderttausende in das eigene politische Lager locken wolle, die den quotenkritischen Vorschlag des Fidesz unterstützt hätten. Da die meisten dieser neuen Wähler höchstwahrscheinlich Jobbik nahestehen dürften, bestehe die Strategie des Fidesz nunmehr darin, zuerst und vor allem die rechtsradikale Partei zu schwächen.

Obgleich die Beteiligung am Referendum die erforderliche Schwelle von 50 Prozent verfehlt habe, habe die Regierung die Unterstützung von 3,3 Millionen Ungarn für sich gewinnen können, unterstreicht Tamás Lánczi in Magyar Idők. Die Linke dagegen habe niemanden mobilisiert. Der führende regierungsfreundliche Analyst ergänzt, dass der Vorschlag des Ministerpräsidenten zur Verfassungsänderung (vgl. BudaPost vom 6. Oktober) die Opposition weiter spalten werde. Dabei am wichtigsten: Jobbik dürfte keine andere Wahl haben als die Vorschläge der Regierung zu unterstützen – es sei denn, die Partei wolle den Willen ihrer eigenen Wähler missachten.

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