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Népszabadság verstummt

10. Oct. 2016

Am Samstag hat das Management sämtliche Aktivitäten der führenden Tageszeitung des linken Spektrums in Ungarn eingestellt. Ein linksgerichteter Kolumnist bezichtigt die Regierung, als treibende Kraft hinter der Entscheidung des Eigentümers zu stecken. Der Regierung nahestehende Kommentatoren dagegen akzeptieren den Standpunkt des Eigners, der nach eigenem Bekunden Verluste eindämmen wolle.

Ohne vorherige Ankündigung hat das Management von Népszabadság am Samstag die Webpräsenz der führenden Tageszeitung des linken Spektrums aus dem Netz genommen und die Belegschaft darüber informiert, dass das Erscheinen des Blattes bis zur Ausarbeitung eines neuen Geschäftsmodells eingestellt wird. Népszabadság war in den 1990er Jahren zunächst an deutsche Verleger verkauft worden, wobei eine Stiftung der Sozialistischen Partei noch bis zum vergangenen Jahr über ein Veto-Recht verfügte. In der Folge wurde die Zeitung vom österreichischen Medienunternehmen Mediaworks übernommen. In jeweils eigenen Stellungnahmen beschuldigen die Oppositionsparteien – inklusive Jobbik – die Regierung, Druck auf den Népszabadság-Eigentümer ausgeübt zu haben, die Zeitung abzuwickeln. Népszava und das Webportal 444 behaupten, dass die ungarischen Mediaworks-Beteiligungen von regierungsfreundlichen Moguln übernommen werden sollen, die Népszabadság noch vor der für dieses Jahr geplanten Übernahme eines neuen Portfolios, darunter verschiedene regionale Tageszeitungen, loswerden wollen. Der Fidesz dementierte in einer Pressemitteilung jegliche Verwicklung in die Causa Népszabadság und verwies darauf, dass jedwede Einmischung der Regierung in Angelegenheiten des Managements gegen Normen der Pressefreiheit verstoßen würde. Am Samstagabend organisierten Redakteure der Tageszeitung und die MSZP eine Demonstration für Pressefreiheit.

In einem wütenden Beitrag auf Index wirft Gergely Dudás der Regierung vor, der Pressefreiheit den Krieg erklärt zu haben. Gleichzeitig gibt der Autor zu, dass die Gründe für die Schließung von Népszabadság nicht klar seien. Allerdings hält er das Argument des Managements bezüglich der Verluste für nicht stichhaltig, denn das Abschalten der Online-Ausgabe von Népszabadság könne nicht mit wirtschaftlicher Vernunft erklärt werden. Dudás vermutet, dass das Management der links ausgerichteten Tageszeitung deren Erscheinen lieber habe stoppen wollen, anstatt Wege zu finden, die die Marke Népszabadság zu einem gewinnträchtigen Medium machen würden. Deshalb müsse die Maßnahme des Managements Ergebnis von politischem Druck der Regierung auf den Eigentümer sein. Dudás nennt jüngste Berichte von Népszabadság über Regierungskorruption (vgl. BudaPost vom 8. Oktober) als möglichen Auslöser für die unerwartete Schließung. Er geht abschließend so weit, den Fall Népszabadság mit dem Angriff des türkischen Präsidenten Erdoğan auf die Pressefreiheit zu vergleichen.

Auf 888 geben Attila Viktor Vincze und Gellért Oláh einen Überblick über die Geschichte von Népszabadság und erinnern daran, dass die Tageszeitung vor 1990 das offizielle Organ der Kommunistischen Partei gewesen und dann von der MSZP als Eigentümerin übernommen worden sei. Deshalb könne Népszabadság nicht als unvoreingenommenes und objektives Medium betrachtet werden, sondern vielmehr als Sprachrohr der Sozialisten. Der Niedergang von Népszabadság seit 2000 spiegele den generellen Niedergang der Sozialistischen Partei wider, resümieren Vincze und Oláh abschließend.

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