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Ungarische Chancen in einer sich verändernden Weltordnung

30. Jan. 2017

Publizisten quer durch das politische Spektrum befassen sich mit der Rolle und den Möglichkeiten Ungarns in der sich nach der Vereidigung Donald Trumps zum US-Präsidenten entfaltenden globalen Ordnung.

Auf Index charakterisiert Tamás Mészáros die Rede von Ministerpräsident Viktor Orbán auf der Lámfalussy-Konferenz (vgl. BudaPost vom 25. Januar) als Beweis dafür, dass die Zuversicht bei der ungarischen Rechten hinsichtlich der Möglichkeiten des eigenen Landes nach der Vereidigung Trumps etwas voreilig sei. Wenn sich der neue US-Präsident für nationale Souveränität einsetze, meine er damit, dass die USA amerikanische Interessen an die erste Stelle setzen würden, statt andere Länder bei der Verwirklichung ihrer eigenen speziellen Bestrebungen zu unterstützen. Mészáros vermutet, dass Ministerpräsident Orbán den Versuch der Zusammenarbeit mit anderen kleineren Partnern, darunter die Visegrád-Staaten, unternehmen werde, um Ungarn damit eine größere Ellbogenfreiheit beim Spagat zwischen den Großmächten zu sichern. Unter Verweis auf die gescheiterte „Schaukelpolitik“ Ungarns, die 1943 auf einen Seitenwechsel im Zweiten Weltkrieg ausgerichtet war, kommt der liberale Publizist zu der Schlussfolgerung, dass sich eine solche Strategie im vergangenen Jahrhundert niemals ausgezahlt habe.

Tibor Várkonyi von der Tageszeitung Népszava hält es für einen Trugschluss anzunehmen, dass es Ungarn besser gehen werde, falls sich die USA mehr auf ihre eigenen Interessen konzentrieren sollten. Je herausfordernder und resoluter die USA ihre eigene Programmatik verfolgen würden, desto schwerer werde es für Europa und Ungarn, ihre Ziele zu verfolgen, warnt Várkonyi.

Obgleich die internationale Zusammenarbeit unter Beteiligung zahlreicher Partner weniger Früchte getragen habe, als viele gehofft hätten, dürfte es Ungarn in einer von bilateralen Vereinbarungen geprägten Welt durchaus nicht besser ergehen, schreibt Bence Földi in Magyar Nemzet. Der Autor erinnert daran, dass gemäß Orbáns Interpretation Donald Trump Ungarn die Verfolgung seiner eigenen Interessen „gestattet“ habe. Diese Formulierung signalisiere, wie stark die Souveränität und die internationalen Möglichkeiten Ungarns noch immer von den USA abhingen.

In Magyar Idők hebt Levente Sitkei hervor, dass Staaten von jeher auf internationaler Bühne ihre nationalen Interessen an die erste Stelle gesetzt hätten. Selbst in der Europäischen Union seien sämtliche Mitgliedsstaaten ihren eigenen Interessen gefolgt, während ihre standardmäßigen Lippenbekenntnisse der EU-Integration gegolten hätten, notiert der konservative Analyst. Das Versprechen der ungarischen Regierung, sie werde den nationalen Interessen Priorität einräumen, bedeute keineswegs, dass sich Ungarn als eine Großmacht betrachte, die ihre Interessen eigenständig durchzusetzen vermag, versichert Sitkei. Sollte die EU die normative, die nationale Souveränität verunglimpfende Rhetorik der Vergangenheit überwinden, könne die Union umgestaltet werden und sich zu einer erfolgreichen Plattform für Zusammenarbeit zwischen souveränen Nationalstaaten entwickeln, glaubt Sitkei.

Für Ungarn sei es eine tolle Nachricht, dass Donald Trump einer patriotischen Strategie ähnlich der von Ministerpräsident Viktor Orbán folgen wolle, notiert der Chefredakteur von Magyar Demokrata, András Bencsik. Der der Regierung nahestehende Journalist geht davon aus, dass der Sieg des modernen Patriotismus der friedlichen Zusammenarbeit unabhängiger Staaten dienen werde. Darüber hinaus äußert Bencsik die Hoffnung, dass der kommende Woche anstehende Ungarn-Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin Vorbote einer weltweiten Aussöhnung sei.

Die Annahme, der zufolge die USA unter Trump isolationistischer würden, hält László Seres für falsch. In Heti Világgazdaság erinnert der libertäre Publizist an Hinweise darauf, dass sowohl Donald Trump als auch sein Außenminister Rex Tillerson den islamistischen Radikalismus ebenso wie den russischen Expansionismus als ernste Gefahren betrachten würden. Vor diesem Hintergrund legt Seres nahe, dass die Anstrengungen der Budapester Regierung um verbesserte Beziehungen zum Kreml in den USA möglicherweise alles andere als willkommen seien.

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