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Alles dreht sich um George Soros

8. May. 2017

Der Streit um George Soros sowie das Netz von ihm geförderter Institutionen geht in eine neue Runde und wird immer erbitterter geführt. Dabei fordern regierungsnahe Tages- und Wochenzeitungen mittlerweile entschiedene Maßnahmen, um ihren Einfluss zurückzudrängen. Ein Journalist des linken Spektrums dagegen wirft der Regierung absurde Verfälschungen sowie das bewusste Schüren von Ängsten vor.

Genug mit dem Wischiwaschi-Geschwätz! Erklären wir Frans Timmermans und George Soros zu unerwünschten Personen in Ungarn!“, fordert Zsolt Bayer in Magyar Idők. (Frans Timmermans, der sozialistische Vizepräsident der Europäischen Kommission, hatte in einem Interview mit der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ Ministerpräsident Viktor Orbán den Rückgriff auf eine antisemitische Sprache vorgeworfen, als dieser George Soros vor anderthalb Wochen in der Ungarn gewidmeten Debatte des Europaparlaments einen amerikanischen Finanzspekulanten genannt hatte, vgl. BudaPost vom 28. April – Anm. d. Red.)
Für Bayer ist es empörend und absurd, dass Timmermans es wage, jemanden als Antisemiten zu diskreditieren, der George Soros als „einen amerikanischen Finanzspekulanten“ bezeichnet und kritisiert habe. Der persönliche Freund von Viktor Orbán erkennt in Politikern wie Timmermans und deren Verbündeten – darunter Soros –, die einen Pro-Migrationskurs vertreten würden, die wahren Antisemiten. Diejenigen, die „eine islamische Immigration“ billigten, „begehen ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und sind Totengräber der europäischen Zivilisation sowie der Nationen Europas“, so Bayer. Darüber hinaus bedrohten sie die Sicherheit des europäischen Judentums. Abschließend pflichtet der umstrittene Publizist Außenminister Péter Szijjártó bei, der angesichts der falschen Antisemitismusvorwürfe den Rücktritt Timmermans gefordert hatte. Und Bayer geht noch einen Schritt weiter, wenn er vorschlägt, dass künftig sowohl Frans Timmermans als auch George Soros die Einreise nach Ungarn untersagt werden sollte.

Jenő Veress von der Tageszeitung Népszava schreibt, der gegen George Soros gerichtete Propagandafeldzug der Regierung habe mittlerweile völlig absurde Züge angenommen. Der linksgerichtete Kolumnist erinnert daran, dass der im Besitz des regierungsnahen Medienmoguls Andy Vajna befindliche Fernsehsender TV2 einen Beitrag über das Ringen von Soros mit den Dilemmata der Euthanasie den Titel gegeben hatte: „George Soros würde seine Mutter umgebracht haben.“ (Soros hatte in einem Bericht zum Thema Euthanasie geschrieben, dass er seiner mit dem Tod ringenden Mutter angeboten habe, ihr beim Sterben zu helfen. Allerdings sei er froh gewesen, dass sich seine Mutter für einen natürlichen Tod im Kreise ihrer Familie entschieden habe – Anm. d. Red.) Veress fragt sich, was wohl als Nächstes geschehen werde und inwieweit die Regierung derartig lächerliche Anschuldigungen zur Verunglimpfung von George Soros noch zu überbieten gedenke.

András Bencsik, Chefredakteur von Magyar Demokrata, spekuliert, dass das wichtigste Ziel der Soros-Visite im Brüsseler EU-Hauptquartier der vergangenen Woche in der Zukunftssicherung des „Soros-Imperiums“ nach dem Tod seines Gründers bestanden habe. Das Netzwerk von Soros habe sich mittlerweile zu einer derartig mächtigen Organisation entwickelt, dass sie nicht einmal von ihrem Gründer kontrolliert werden könne – im Gegenteil, es sei das Imperium, das George Soros für seine eigenen systemischen Zwecke einspanne, notiert der regierungsnahe Publizist, der Mazedonien für das nächste, unmittelbar bevorstehende Ziel des Soros-Netzwerkes hält. Dort, so Bencsik, fache es aktiv einen Aufstand im Namen der Demokratie an.

In der gleichen Wochenzeitschrift unterstellt Zsuzsa Hernádi George Soros und seinem Netzwerk den Versuch, „länderübergreifende Demonstrationen“ zur weiteren Förderung ihrer politischen Agenda zu inszenieren. Die der Regierung nahestehende Kolumnistin spekuliert, dass die Soros-Organisationen ein internationales Netz geknüpft hätten, das überall durch soziale Onlinemedien zwecks Schwächung des Nationalstaates mobilisiert werden könne. Beispielhaft benennt Hernádi die für den Erhalt der CEU in Budapest veranstalteten Demonstrationen, an denen sich sowohl ausländische Studenten als auch NGOs beteiligt hätten. Als Konsequenz fordert die Autorin die Regierung auf, sie möge „ein neues Sicherheitssystem“ erarbeiten, das knapp unter der Schwelle einer totalen Abriegelung der ungarischen Grenzen bleibe. Damit solle verhindert werden, dass mit Hilfe „grenzüberschreitender Flashmobs“ vom Ausland her Einfluss auf Ungarn ausgeübt werden könne.

In ihrem regelmäßigen gemeinsamen Interview mit dem Wochenmagazin Heti Válasz befassen sich die Politologen Gábor Török und Sámuel Mráz mit den Konsequenzen des Kampfes der Regierung gegen George Soros. Török, ein in der politischen Mitte angesiedelter Wissenschaftler, geht davon aus, dass der Fidesz Soros vor allem angreife, um seine eigene Basis in der Annahme zu mobilisieren, sie werde für einen Sieg bei den Parlamentswahlen 2018 ausreichen. Der politische Kampf gegen George Soros helfe der Regierung darüber hinaus bei der Ablenkung der öffentlichen Aufmerksamkeit von anderen sensiblen Themen, darunter Korruption.
Der der Regierung nahestehende Mráz hingegen argumentiert, es sei Soros gewesen, der sich selbst zur wichtigsten Zielscheibe des Fidesz gemacht habe. So habe Soros wiederholt seine vehemente Unzufriedenheit mit dem Kabinett Orbán zum Ausdruck gebracht und sein Bestes getan, um in Ungarn und darüber hinaus Kräfte gegen die Regierung zu mobilisieren. Mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten könne George Soros nicht mehr länger auf die Unterstützung seitens der Vereinigten Staaten zählen. Deswegen habe die Orbán-Regierung ohne großes Risiko einen Gegenangriff auf ihren Widersacher starten können, erläutert Mráz.

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