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Wochenpresse über Viktor Orbáns Rede zur Lage der Nation

24. Feb. 2020

In der Wochenpresse sowie den Wochenendausgaben ungarischer Tageszeitungen werden die allgemeinen Konsequenzen der alljährlichen Rede des Ministerpräsidenten zur Lage der Nation diskutiert. Dabei richten verschiedene Kommentatoren ein besonderes Augenmerk auf die von Viktor Orbán umrissenen umweltpolitischen Vorhaben.

Für András Bencsik verbirgt sich die vom Regierungschef verkündete wichtigste Botschaft in seiner Zusage, Ungarn in jeder Hinsicht Vorrang einzuräumen sowie die traditionellen Werte des Landes zu verteidigen (siehe BudaPost vom 18. Februar). Der regierungsfreundliche Chefredakteur von Magyar Demokrata begrüßt diese Botschaft als wichtig nicht nur für Ungarn, sondern auch für Europa. Weiter bezeichnet er es als vorbildlich, dass Ungarn standhaft bleibe, während in Europa das Christentum durch den Islam und schwulenfreundliche Ideologien ersetzt werde.

In seinem Leitartikel auf der Titelseite von Élet és Irodalom behauptet János Széky, der ungarische Ministerpräsident verfüge nur über ein einziges strategisches Ziel: den Kampf gegen die liberale Demokratie. Der liberale Kommentator erklärt die strategischen Bündnisse des Ministerpräsidenten als klares Indiz dafür, dass Viktor Orbán bereit sei, mit jedem antiliberalen, nationalistischen und „Putin-freundlichen“ Politiker zusammenzuarbeiten, unabhängig von ideologischen Differenzen oder Ähnlichkeiten sowie unabhängig von den geopolitischen Interessen Ungarns.

Das vergangene Jahrzehnt sei in makroökonomischer Hinsicht ein Erfolg für Ungarn gewesen, gesteht Zoltán Lakner in Heti Világgazdaság ein. Der linke Analyst stellt jedoch auch fest, dass das Wachstum im ganzen Land sehr ungleichmäßig vonstattengegangen sei und die ärmeren Regionen keineswegs zu den entwickelteren Teilen Ungarns aufgeschlossen hätten. Lakner weist darauf hin, dass Familien und Wähler der Mittelschicht die Hauptnutznießer der Niedrigsteuerpolitik der Regierung und der aufgestockten Subventionszahlungen an Familien gewesen seien. Als besonders enttäuschend empfindet Lakner die ausgebliebenen Verbesserungen im Bereich des Bildungswesens. Ungarn dürfte im Falle eines konjunkturellen Abschwungs in Europa kaum auf die sich daraus ergebenden Herausforderungen vorbereitet sein, schlussfolgert Lakner.

In einem Interview mit dem Nachrichtenportal Nyugat macht Gábor Török auf die neuen Themen aufmerksam, die Ministerpräsident Orbán in seiner Rede zur Lage der Nation aufgegriffen habe. Den von ihm vor geraumer Zeit eingesetzten Arbeitsgruppen werde sich nun eine weitere zum Thema Klimaschutz hinzugesellen, betont der in der politischen Mitte angesiedelte Politologe. (In seiner Rede hatte Orbán ein Plastiktütenverbot, die Säuberung illegaler Müllhalden, die Schließung von Kohlekraftwerken, die Förderung der Solarenergie sowie die Subventionierung des Ankaufs von Elektroautos und -bussen angekündigt – Anm. d. Red.). Nach Auffassung Töröks möchte der Regierungschef mit der Übernahme grüner Ideen der Opposition den Wind aus den Segeln nehmen und Besitzansprüche an umweltpolitischen Ideen geltend machen.

Miklós Hargitai von der linken Tageszeitung Népszava bezeichnet die angekündigten umweltpolitischen Maßnahmen als Schall und Rauch. Der Kolumnist wirft der Regierung vor, umweltschädliche Fabriken aus dem Westen nach Ungarn gelockt zu haben. Die De-facto-Verstaatlichung der Müllabfuhr habe mehr illegalen Abfall verursacht. In Anbetracht dessen meint Hargitai, dass die grüne Wende des Ministerpräsidenten nur ein weiterer Trick zur Schwächung der Linken sei, die sich ebenfalls ökologischen Themen verschrieben habe.

In Magyar Nemzet bezeichnet es Gyula Haraszti als ganz natürlich, dass die Opposition und ihr intellektuelles Umfeld von Orbáns Plänen im Kampf gegen den Klimawandel überrascht seien. Der regierungsnahe Kommentator weist jedoch den Vorwurf zurück, dass die angekündigten umweltpolitischen Pläne nur dazu dienen sollten, Ökologie-bezogener Kritik seitens der Opposition an der Regierung zuvorzukommen. Vielmehr nehme das Kabinett umweltpolitische Erwägungen ernst, macht der Kolumnist geltend. Und tatsächlich habe es weit mehr getan als linke Politiker, die zwar lautstark für grüne Ideen eintreten, aber nur wenig tun würden, um die globale Erwärmung zu stoppen, so Haraszti weiter. Als Beispiel nennt er die Ausrufung eines Klimanotstandes durch den Budapester Oberbürgermeisters Karácsony, was jedoch keinerlei konkrete Auswirkungen gezeitigt habe.

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