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Regierungsnahe Medien nehmen Gyurcsány ins Visier

31. May. 2021

Regierungsnahe Kommentatoren behaupten unisono, die Opposition sei die ideologische Erbin der „Őszöd-Rede“ von 2006 und der darauf folgenden Polizeigewalt. Auch sind sie überzeugt davon, dass die Opposition vom ehemaligen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány aus dem Hintergrund gesteuert werde. Eine linke Stimme weist das als pure Propaganda zurück.

In Magyar Demokrata behauptet Erik Tóth mit Blick auf die „Őszöd-Rede“ des ehemaligen Ministerpräsidenten Gyurcsány aus dem Jahr 2006 (siehe BudaPost vom 28. Mai), dass der Chef der Demokratischen Koalition nach wie vor die Strippen der Opposition ziehe. Da der Politiker höchst unpopulär sei und die meisten Ungarn ihn in keiner wichtigen Regierungsfunktion sehen wollten, koordiniere er die Zusammenarbeit der Opposition aus dem Hintergrund, indem er seine Vertrauensleute in Schlüsselpositionen hieve, behauptet der Analyst der regierungsnahen Denkfabrik Zentrum für Grundrechte. Auch Klára Dobrev werde von ihrem Ehemann und Ex-Regierungschef gemanagt. Wer immer zum Spitzenkandidaten der Opposition bei den Parlamentswahlen 2022 avanciere – Mastermind und wahrer Kopf werde Ferenc Gyurcsány sein, glaubt Tóth.

Es sei schockierend, dass sich um Rechtsstaatlichkeit und demokratische Normen besorgte Intellektuelle auf die Seite des ehemaligen Ministerpräsidenten Gyurcsány schlagen würden, als hätten sie die Ereignisse von 2006 völlig vergessen, gibt sich László Néző von der Tageszeitung Magyar Nemzet empört. Als Beispiel nennt der regierungsfreundliche Autor den von bekannten Intellektuellen, Philosophen und Rechtsgelehrten unterstützten Vorschlag, dass die Gesetze der Orbán-Regierung – einschließlich der Verfassung – mit einfacher und nicht mit Zweidrittelmehrheit außer Kraft gesetzt werden könnten, wie es das Grundgesetz vorschreibe (siehe BudaPost vom 24. Mai). Néző fragt sich, ob die gesetzwidrigen Maßnahmen der Opposition auch die Beschlagnahme von Eigentum, die Anwendung von Gewalt oder sogar Mord umfassen würden. Mit Blick auf die Vorwahlen der Opposition geht Néző davon aus, dass „die Leine in der Hand von Ferenc Gyurcsány liegen wird“, ganz egal wer letztendlich die Kandidatur zum Ministerpräsidenten gewinne.

Judit Kósa von Népszava kritisiert die Regierung, weil sie die Ereignisse von 2006 für „Propagandazwecke“ missbrauche. Die linksorientierte Kolumnistin wirft regierungsnahen Medien vor, die Krawalle vor 15 Jahren mit der Revolution von 1956 vergleichen zu wollen. Nach Kósas Ansicht handelte es sich bei den Unruhen nach dem Durchsickern der „Őszöd-Rede“ des seinerzeitigen Ministerpräsidenten Gyurcsány um brutale Ausschreitungen, die von einem gewalttätigen Mob angestachelt worden seien. Viktor Orbán habe damals gehofft, dass die Krawalle ihm helfen könnten, die sozialistisch-liberale Regierung „auf der Straße“ zu besiegen. Kósa findet es besonders geschmacklos und absurd, dass die Regierung den Jahrestag der Ereignisse von 2006 nutze, um die heutige Opposition zu diskreditieren.

Ferenc Brém-Nagy hingegen hält es für absolut gerechtfertigt, den Zusammenhang zwischen den Ereignissen von 2006 und der heutigen Opposition zu betonen. In Magyar Hírlap verurteilt der regierungsfreundliche Zeitungsredakteur linksliberale Intellektuelle, die „Gyurcsánys Lügen und Verantwortung für die Polizeigewalt 2006 entschuldigt haben“. Brém-Nagy gibt sich überzeugt, dass der Budapester Oberbürgermeister und mögliche oppositionelle Spitzenkandidat für 2022, Gergely Karácsony, eine „Marionette“ Gyurcsánys sei.

In seinem regelmäßigen wöchentlichen Leitartikel spekuliert der Chefredakteur von Magyar Demokrata, András Bencsik, dass die groß angelegte Kampagne der Regierung gegen Gergely Karácsony die Chancen von Klára Dobrev bei den Vorwahlen der Opposition erhöhen würde. Der regierungsfreundliche Publizist geht davon aus, dass die unablässige Kritik der Rechten an Karácsony Dobrev dabei helfe, sich als die geeignetste Kandidatin für das Amt der Regierungschefin zu profilieren. Dobrevs Versprechen, jedem Rentner 150.000 Forint zukommen zu lassen, sei ein demagogischer Trick, der auf diejenigen abziele, „die nicht in der Lage sind, langfristig zu denken”. Dennoch könnte er nach Einschätzung Bencsiks die Beliebtheit der Gyurcsány-Gattin steigern.

In einem Interview mit Válasz behauptet László Mérő, dass Klára Dobrev nicht geeignet sei, Spitzenkandidatin der Opposition zu werden. Viele Wählerinnen und Wähler sähen in Dobrev nur die Ehefrau von Ferenc Gyurcsány, weshalb sie auch unter den starken Negativ-Gefühlen gegenüber Gyurcsány leiden werde, vermutet der linksliberale Psychologe. Nach Ansicht Mérős wird der Fidesz sein Bestes tun, um Klára Dobrev zu stärken, denn die Partei wisse, dass sie Ministerpräsident Orbán niemals werde besiegen können.

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