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Zwei Wochen danach: Parlamentswahl wird noch immer heiß diskutiert

25. Apr. 2022

Die Kommentatoren tun sich nach wie vor schwer, eine schlüssige Erklärung für den vierten Wahlsieg des Fidesz in Folge zu finden. Noch unklarer erscheint jedoch, wie sich die Opposition von ihrer am 3. April erlittenen Niederlage erholen könnte.

In Demokrata befasst sich Gábor Bencsik, ein Experte für die Geschichte der ungarischen Zigeuner, mit der Frage, warum die Partei von Ministerpräsident Viktor Orbán von der überwältigenden Mehrheit der Roma-Wähler unterstützt worden sei. Tatsächlich hätten sich die für die Regierung abgegebenen Stimmen proportional zum Anteil der Zigeunerbevölkerung in einer bestimmten Siedlung verhalten, notiert Bencsik, der regelmäßig für das von seinem Bruder András herausgegebene Wochenmagazin schreibt. Der Hauptgrund dafür sei, dass unter der Fidesz-Regierung den in separaten Siedlungsgebieten mit sehr wenigen Arbeitsmöglichkeiten lebenden Roma überall im Lande bescheiden bezahlte Jobs im Rahmen öffentlicher Projekte angeboten werde.
Gábor Bencsik war Anfang des Monats in die Schlagzeilen gelangt, als er den staatlichen Medien eine einseitige Berichterstattung zur Last legte (siehe BudaPost vom 15. April). Élet és Irodalom-Chefredakteur Zoltán Kovács erkennt hinter Bencsiks Äußerung puren Zynismus. Was habe ihn daran gehindert, das schon viele Jahre vor den Wahlen zu bemerken?, fragt Kovács.

In einer umfassenden Analyse der Ursachen des Wahlergebnisses konstatiert der ehemalige linke Finanzminister Csaba László im Wochenmagazin Magyar Narancs: Ungarn sei keine klassische Demokratie westlichen Typs, aber auch keine aggressive Diktatur im Stile Putins. Als weitere Gründe verweist er auf ein um die Regierung herum installiertes Klientelsystem, ein perfektes Netzwerk des politischen Populismus, einen professionell geführten Wahlkampf sowie die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine.

In Hetek meint ein mit den Initialen M.M-R zeichnender Autor, dass die Kampagne der Opposition von Intellektuellen in Budapest geführt worden sei, die in einer Meinungsblase existieren und das Leben sowie die Sorgen der Menschen außerhalb – ja nicht einmal innerhalb der Hauptstadt verstehen würden. Die einfachen Ungarn hätten nach der Wende einen Schock erlitten, der für viele von ihnen eine Existenz- und Wertekrise ausgelöst habe. Daher gehe es ihnen in erster Linie um Sicherheit – und sie seien der Ansicht gewesen, dass die Regierung diesbezüglich mehr zu bieten habe als die Opposition.

Auch Gergely Szilvay stellt in seinem Mandiner-Leitartikel fest, dass die in der Politik aktiven Intellektuellen nicht wüssten, worum es beim politischen Wettbewerb wirklich gehe. Sie beschwerten sich unablässig über Negativ-Kampagnen und forderten tendenziell eine Expertenregierung. Daraus folge, dass die Intellektuellen ein Problem mit der Demokratie hätten, weil in einem demokratischen System konkurrierender Kräfte alles politisiert werde, wobei selbst die Fachleute in politischen Fragen gespalten seien. Intellektuelle wollten die Politik dominieren und seien unzufrieden, wenn die politische Welt ihnen nicht gehorche, behauptet der Kolumnist.

In einem nicht gezeichneten Leitartikel beklagt 168 Óra die Weigerung der Oppositionsparteien, Bernadett Szél einen Sitz im Parlament einzuräumen. Obwohl eine der aktivsten Oppositionsabgeordneten in der vergangenen Legislaturperiode, habe sie die Wahl in ihrem Wahlkreis zwar verloren, könnte aber, da sie auf der Landesliste der Opposition stehe, ins Parlament einziehen – vorausgesetzt, die Parteien würden sich für sie anstelle der verschiedenen von ihnen vorgeschlagenen namenlosen Kandidaten entscheiden.

In ähnlichem Sinne halten es die Leitartikler von Jelen für entmutigend, dass sich die unterschiedlichen Kräfte der Opposition nach den Wahlen erbitterte Grabenkämpfe liefern würden. Dies sei ein Fehlstart der Opposition, die jetzt daran arbeiten sollte, eine neue Bewegung auf der Grundlage derjenigen 34 Prozent aufzubauen, die am 3. April für sie gestimmt hätten, empfiehlt das Wochenblatt.

In Magyar Hang vertritt Róbert Puzsér die Ansicht, dass die Opposition nunmehr an der Vereinigung ihrer sechs Parteien arbeiten sollte, um die amtierende Regierung in vier Jahren zu besiegen. Ihre Positionen seien stärker als die von Viktor Orbán im Jahr 1994, als er mit dem Aufbau eines neuen Rechtsbündnisses begonnen habe. Die Linksliberalen könnten jetzt die Öffentlichkeit problemlos erreichen, vor allem über Nachrichtenportale im Internet sowie die sozialen Medien. Darüber hinaus hätten sie auch eine gewisse Unterstützung durch Unternehmer sowie seitens der etablierten politischen Kräfte in Europa. Die die Opposition unterstützende intellektuelle Welt sei von viel höherer Qualität als die der Regierungsseite, so Puzsér abschließend.

In einem Interview mit Heti Világgazdaság bestreitet die rechtsradikale Führungsfigur László Toroczkai rassistische Tendenzen jedweder Art. Der Vorsitzende von Mi Hazánk, einer von ehemaligen Jobbik-Mitgliedern gegründeten Partei, die sechs Parlamentssitze erringen konnte, erklärt: Einzelne Mitglieder könnten privat rassistisch sein, aber er habe ihnen deutlich gemacht, dass entsprechende Äußerungen in seiner Partei nicht geduldet würden.

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